Leitartikel Berlinale

Fortsetzung folgt

Unfassbar: Hätte Alfonso Cuarón seinen gefeierten Film „Roma“ nicht in Venedig, sondern auf der Berlinale im Wettbewerb zeigen wollen – er hätte es nicht gekonnt.

07.02.2019

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Berlin. Das Meisterwerk hat in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen und ist Oscar-Favorit, doch ist es eine Netflix-Produktion, und ohne eine richtige Kinoauswertung vor dem Streaming-Einsatz hätte „Roma“ nicht im Berlinale-Wettbewerb gezeigt werden können. Schon das Beispiel zeigt, wie sich das Filmgeschäft ändert. Und vor welchen Aufgaben die künftigen Berlinale-Chefs – Carlo Chatrian als künstlerischer Leiter und Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin – stehen.

Doch heute beginnt erstmal die 18. und letzte Berlinale, die Dieter Kosslick als Direktor zu verantworten hat. Der Schwabe ist in den vergangenen Jahren zunehmend in der Kritik gestanden. Und ja, mit der programmatischen Ausweitung mag die Berlinale an Profil und Relevanz verloren haben – gerade in Konkurrenz mit Cannes und Venedig. Und besonders der Berlinale-Wettbewerb hatte zuletzt qualitativ zuweilen den Eindruck eines Gemischtwarenladens gemacht.

Doch wäre es absurd, angesichts von mehr als 400 Filmen in den diversen Sektionen zu sagen, die Berlinale böte nichts Sehenswertes. Sonst wäre sie kaum das größte Publikumsfestival der Welt. Und natürlich gab es auch im Wettbewerb – neben Proporz-Quatsch und Ärgernissen – immer wieder Entdeckungen, Überraschendes, Herausragendes.

Außerdem stand Kosslick nicht nur für das „kulinarische Kino“, sondern für eine oft dezidiert politische Haltung. Und wer seine Arbeit objektiv zu bewerten versucht, sollte sich nicht nur vergegenwärtigen, was für ein vitaler Kommunikator er ist, sondern dass sich der cineastische Markt in heftigen Umbrüchen befindet.

Wie soll ein Festival-Macher alles richtig machen: zwischen Europa, Hollywood und Weltkino, zwischen Indie-Filmen und Blockbustern, zwischen Schwarz-Weiß-Kunst und Rotem Teppich, zwischen Filmstudios und Streaming-Anbietern? Der Festival-Kalender wird immer umkämpfter, dabei ist gar nicht gesagt, dass Festivals ihre wichtige Rolle behalten. Und der Februar-Termin der Berlinale ist auch nicht hilfreich – und das nicht wegen des Winterwetters.

Ob die Berlinale 2019 Dieter Kosslick ein Happy End beschert, wird man sehen. Einen würdevollen Abschied hat er verdient! Und danach? Die Wahl von Carlo Chatrian spricht nicht dafür, dass man einen radikalen Neustart will. Man hat sich nicht für einen Paradiesvogel oder Quereinsteiger entschieden, sondern für einen Fachmann, der beim Festival in Locarno bewiesen hat, dass er den Spagat zwischen ambitioniertem und populärem Film beherrscht. Und mit Mariette Rissenbeek steht ihm eine zahlenkundige Fachfrau zur Seite.

Die beiden sollen etwas wagen dürfen, aber dabei stets beherzigen, dass Filme von Menschen für Menschen gemacht werden. Diesbezüglich hat Dieter Kosslick gewiss Recht. Seine Nachfolger sollen eines nicht vergessen: „dass der wahre Schatz der Berlinale seit 1951 das Publikum ist“.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
07.02.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 07.02.2019, 06:00 Uhr

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