Mit Blick für die perfekte Röstfarbe

Florian Kühnberger eröffnete eine Kaffeerösterei in der Ofterdinger Hafnerstraße

Ein guter Kaffee schmeckt auch kalt, sagt Florian Kühnberger. Er muss es wissen. Seit fast zwanzig Jahren röstet er Kaffees aus aller Welt. Jetzt hat er in Ofterdingen, wo er seit vier Jahren lebt, eine Kaffeemanufaktur eröffnet.

29.03.2016

Von Susanne Wiedmann

Sind die Bohnen fertig geröstet? Florian Kühnberger an seiner Röstmaschine mit strengem Blick auf den Probenzieher. Bild: Rippmann

Sind die Bohnen fertig geröstet? Florian Kühnberger an seiner Röstmaschine mit strengem Blick auf den Probenzieher. Bild: Rippmann

Ofterdingen. Im Untergeschoss des Geschäftshauses lagern Jutesäcke, einer dicht neben dem anderen. Aus Brasilien, Guatemala, Äthiopien, Kenia und Kuba, Peru und Papua Neuguinea wurden sie geliefert. Je 50 bis 70 Kilo schwer. Und prall gefüllt mit rohen Kaffeebohnen, die aussehen wie Erdnusskerne oder wie Linsen. Aber allesamt noch blass. „Jede hat einen anderen Röstpunkt“, erklärt Florian Kühnberger. Und das Wetter lässt sie nicht unberührt. „Bei Tiefdruck reagieren die Bohnen völlig anders als bei Hochdruck.“

Wenn Kühnberger an seiner Röstmaschine steht, arbeiten alle Sinne mit. Am wichtigsten ist aber der Blick für die perfekte Röstfarbe. Je nach Bohnen kreisen die Rührarme der Maschine 18 bis 21 Minuten durch die Trommel. Bei hohen Temperaturen passiert, was jeder gewöhnlichen Roten Wurst droht: Sie ist außen schwarz und innen roh. Also lieber bei niedrigerer Temperatur einen „Tick“ länger, „um mehr Röstaroma und Geschmackslänge reinzukriegen“. Für den Experten ist ein Kaffee nur gut, wenn der Geschmack eine viertel oder halbe Stunde im Mund bleibt.

Aber jeder Röster hat seine eigene Philosophie. Jedenfalls findet es Kühnberger spannend, dem Produkt die eigene Note zu geben, es individuell zu verarbeiten. Kaffeeröster ist kein Ausbildungsberuf. „Es ist Erfahrungssache“, sagt er.

Vor fast zwanzig Jahren lernte er das Handwerk im Mössinger Teelädle, das heute Spezialitäten-Compagnie heißt. Davor hatte er sich zum Groß- und Außenhandelskaufmann ausbilden lassen, arbeitete zehn Jahre in der Unterhaltungselektronikbranche in Reutlingen, bis Einsparungen ihm seinen Job kosteten.

Damals jobbte seine Schwester gerade im Teelädle. So entdeckte der Bruder allmählich seine Leidenschaft für Kaffee. Im Jahr 2007 nahm Florian Kühnberger bei den Deutschen Röstmeisterschaften teil – und siegte. „Es war eine tolle Erfahrung“, aber er beließ es dabei. Warum sollte er noch einmal teilnehmen – nur wegen eines Titels? Diese eine offizielle Bestätigung, dass er sein Handwerk beherrschte, genügte ihm. In der Spezialitäten-Compagnie arbeitete er bis 2013. Es folgte ein Vertriebsjob, der nicht auf Dauer sein sollte. Dafür den gebürtigen Mössinger jedoch in dieser Zeit erfüllte, war sein ehrenamtliches Engagement in der Schülerbetreuung Bästenhardt. „Es war klasse, die Entwicklungen mitzuerleben.“ Er hätte sich gut vorstellen können, mit Kindern, Jugendlichen und Behinderten zu arbeiten. „Ich kann das gut, habe aber keine Qualifikation.“

Was er aber gelernt hatte, war plötzlich wieder im Dezember 2014 gefragt. Damals organisierte der Mössinger Kirchengemeinderat, dem Florian Kühnberger angehört, einen Kaffeeverkauf, um Spenden einzutreiben. Die Heizung der Peter- und Paulskirche musste saniert werden. Florian Kühnberger hatte die Mischungen zusammengestellt und geröstet. Und die Kaffee-Aktion war so erfolgreich, dass sie wiederholt wurde. Da war ihm klar: „Das ist es, was du kannst und machen solltest!“ Von heute aus betrachtet, denkt er, dass es „von oben gesteuert wurde“ – „ich bin ja ein gläubiger Mensch“.

Neben einem Werksverkauf möchte er künftig den Großhandel – Firmen und Cafés – beliefern. Zunächst startet er als „Einzelkämpfer“. Vielleicht wird er irgendwann noch jemanden einstellen.

Noch kann er es kaum fassen. Vermutlich werde er erst in einigen Wochen realisieren, dass er nun selbstständig ist. Das erste Mal in seinem Leben. „Es ist ein Wagnis, alles auf eine Karte zu setzen.“

Es dauerte lange, bis er sich dazu durchgerungen hatte. Vieles brauchte Zeit. Bis er die passenden Räume gefunden und alle Auflagen erfüllt hatte. „Das ist ja so ähnlich, wie wenn man eine Chemiefabrik eröffnet“, sagt er scherzend. Aber man ahnt, wieviel Hürden er nehmen musste. Die Emissionen riechen allerdings nicht nach Kaffee. Eher wie Gebäck oder geröstetes Getreide. Nicht einmal die frisch gerösteten Bohnen duften. „Erst nach ein bis zwei Tagen entwickelt sich das volle Aroma“, erklärt der 49-Jährige.

In blauen Tonnen hat er die schwarzen Bohnen aromasicher verschlossen: Ofterdinger Mischung steht auf einem Deckel oder Brasilien Santos oder Mount Kenia oder Honduras Marcala. Noch nie reiste er in eines der Anbaugebiete seines Kaffee, weil ihn seine Flugangst bislang davon abgehalten hat. Länger als zwei Stunden zu fliegen, würde er nicht durchstehen, glaubt er. Aber genauso weiß er: „Ich komme wahrscheinlich irgendwann nicht drumrum.“

Es lässt sich leicht testen, ob ein Kaffee gut ist, sagt er. „Ein guter Kaffee schmeckt auch kalt voluminös und angenehm – ansonsten wird er sauer.“ Er mag am liebsten Kaffee aus Afrika – wegen des Temperaments, der Würze und Fülle.

Florian Kühnberger trinkt morgens zwei Tassen Kaffee, mittags Espresso. Insgesamt drei bis vier Tassen am Tag, nicht literweise wie man vielleicht vermuten würde. Und noch etwas: Er trinkt ihn ausschließlich schwarz. Nur so habe man er vollen Geschmack.

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Erstellt:
29.03.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 29.03.2016, 01:00 Uhr

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