Tübingen · Gäste der Woche
Federle und DTK: Teamarbeit bis zum Wendepunkt
Die Schnelltest-Aktion von Lisa Federle findet landesweit Beachtung. Hilfe bekommt Federle in Tübingen auch von Schlagersänger Dieter Thomas Kuhn. Ans Aufhören denken die beiden noch lange nicht.
„Jetzt weiß ich wieder, was wir zuletzt veranstaltet haben: Damals beim Palmer, als es kein Bier gab“, sagt sie. „Er hat irgendein Fest gefeiert, aber es gab nichts zu trinken.“ Auch Kuhn, der einfachheitshalber im Folgenden nur noch mit seinem Künstlernamen DTK genannt wird, muss lauthals lachen: „Ich weiß gar nicht, ob man das sagen darf, aber dann hat der Hubert Wicker zu mir gesagt: Hier gibt’s ja nichts zu trinken, was machen wir jetzt? So kam die Idee mit der Tankstelle.“ Das Lachen der beiden wird immer lauter. „Dann sind wir“, japst Federle zwischen ihren Lachphasen heraus, „mit dem Einsatzauto zur Tankstelle gefahren und haben Bier geholt.“
Federle und DTK kennen sich schon lange, über 25 Jahre. Vor dem Pfauen kamen sie erstmals ins Gespräch, Federle studierte noch, DTK begann, sich eine Locke zu föhnen und zu einem Star am Schlagerhimmel zu werden. Ein paar Jahre später behandelte Federle dann die Teenies, die auf seinen Konzerten vor lauter Anhimmeln reihenweise in Ohnmacht fielen. „Beim letzten Mal sind so viele umgefallen, dass ich nicht mehr dazukam, mir die Musik anzuhören“, sagt sie.
Als dann klar war, dass die Schnelltest-Aktion von Federle mit dem Arztmobil eines der Weihnachtsspendenprojekte des TAGBLATTs wird, wollte sie alle Tübinger erreichen, besonders junge Menschen, die vielleicht nicht immer Zeitung lesen. Ihre Idee: Plakate zu drucken, sie in der Stadt aufzuhängen und damit auf die Aktion aufmerksam zu machen. Nur fehlte ihr das layouterische Knowhow dazu. Also rief sie DTK an: „Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie. Und er, ohne zu wissen, worum es geht: „Na klar, ich freue mich ja, dir auch endlich mal helfen zu können.“
Bei der Plakatgestaltung sollte es aber nicht bleiben. Von Beginn an sind DTK und sein Bandkollege Philipp Feldtkeller bei den Schnelltestungen am Marktplatz dabei, sie teilen den Getesteten ihre Ergebnisse mit. Federles Gesicht ist in Tübingen schon seit Jahren mit dem Arztmobil untrennbar verknüpft. Aber auch DTKs Gesicht wird nun mit der Schnelltestaktion immer öfter von Passanten in der Stadt in Verbindung gebracht: „Toll, dass du dabei bist“, sagen Fremde zu ihm, erzählt er. Und Federle: „Hier sollte man auch erwähnen, dass Thomas einen medizinischen Beruf (Masseur und medizinischer Bademeister, Anm. d. Redaktion) gelernt hat. Sonst denken die Leute noch, da kann ja jeder Schlagerbarde mitmachen.“ Und wieder müssen DTK und Federle herzhaft lachen.
Bis zum Ende werde er dieses Projekt unterstützen, sagt DTK – und das ist noch eine ganze Weile. Denn Federle will auch dann noch weiter testen, wenn die Weihnachtsspendenaktion im Januar endet. „Bis April machen wir auf jeden Fall weiter“, sagt sie. „Solange, bis es einen Wendepunkt gibt.“ Und das kann, trotz der im Januar anlaufenden Impfung, noch etliche Monate dauern. „Wir müssen unbedingt auch weiter nach den vulnerablen Gruppen schauen.“
Die Zeit dafür hat DTK momentan, was ihn schon auch belastet: Für seine Konzerte, der Inbegriff von Ausgelassenheit, Nähe und guter Laune, sieht DTK in der nächsten Zeit keine Perspektive. „Das wäre ja absurd“, sagt er. „Den Lichtblick haben wir gerade wirklich nicht. Ein DTK-Konzert ist ja gerade das, was am stärksten verboten ist. Stimmung, umarmen, küssen, Bier – das ist undenkbar.“ Selbst wenn es eine schnelle Wendung geben würde, einen Impfstoff, der greift, die Angst sei weiter da, sagt er. Und finanziell? Geht es bei ihm ohne seine Konzerteinnahmen? „Ich gebe zu, ich lebe momentan von Reserven.“ Beim baden-württembergischen Notprogramm für Künstler habe er Geld beantragt, sagt er. Das würde ihn ein bisschen auffangen. „Aber wenn das alles so weitergeht, muss ich gucken, dass ich einen Job kriege.“
„Du kannst bei uns sofort anfangen“, sagt Federle und diesmal ist es DTK, der mit seinem Arm eine imaginäre Berührung ihrer Schulter ausführt. Boris Palmer habe er schon nach einem Job gefragt, sagt er. Im Ernst. Müllmann, das wäre sein Ding. „Weil ich das eine unglaubliche Arbeit finde, was die Männer da jeden Tag machen: Unseren Dreck abholen.“ Der OB hätte aber nur im Knöllchen-Bereich was für ihn. Anpöbeln lassen will sich DTK aber nicht.
Länger als eine Stunde geht das Gespräch mit Federle und DTK in der Redaktion am Freitagmittag nicht. DTK muss noch nach Hause, um sich eine lange Unterhose anzuziehen, bevor er zu den Schnelltests auf den Marktplatz geht. „Wir sind ein echt tolles Team, besonders Christa Lucke und alle vom Roten Kreuz, das ist so super“, sagt Federle. Und auch die Wartenden seien super, diszipliniert, ständen brav voneinander entfernt. Und die meisten würden auch verstehen, dass diese Tests nur eine Momentaufnahme sind, kein Freifahrtschein.
Aber auch Federle muss weiter. Im Minutentakt gingen in dieser einen Stunde Anrufe bei ihr ein. Eine Bitte hat sie dann aber doch noch: Wer wissen will, wann das Arztmobil wann und wo steht, der solle doch besser in die Zeitung schauen, anstatt sie anzurufen. „Sonst komme ich bei meinen Anrufen wirklich nicht mehr hinterher.“
Lisa Federle
1961 in Tübingen geboren
1983 - 1993 Wirtin im Boulanger
1990 Abitur (am Abendgymnasium in Reutlingen)
1990 - 1998 Medizinstudium an der Uni Tübingen
2011 CDU-Kandidatin für die Landtagswahl
seit 2004 Leitende Notärztin
seit 2011 Vorsitzende der Kreisärzteschaft
seit 2016 Notfalldienstbeauftragte der KV Praxis
seit 2020 Pandemiebeauftragte
Dieter Thomas Kuhn
1965 in Tübingen geboren
bis 1984 Schüler der Gesamtschule auf Waldhäuser-Ost (ohne auffälliges Interesse am Musikunterricht)
1984 Beginn seiner Ausbildung als „Masseur und medizinischer Bademeister“ in Balingen
Praktiken BG und 1986 - 1992 Arbeit im Tübinger Klinikum (nebenberuflich musikalisch)
seit 1992 vollberuflich als Musiker Dieter Thomas Kuhn unterwegs (erster Auftritt im Weilheimer Kneiple in Tübingen)
Zum Dossier: TAGBLATT-Spendenaktion 2020