Urteil

Facebook muss Nutzern Widerspruch ermöglichen

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe macht die Löschung eines Hass-Postings rückgängig.

30.07.2021

Von CHRISTIAN RATH

Karlsruhe. Facebook kann vorerst keine Hass-Postings löschen, die nur gegen die „Gemeinschaftsstandards“ von Facebook verstoßen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Nutzungsbedingungen von Facebook für „unwirksam“ erklärt, da Betroffenen keine Widerspruchsoption eingeräumt wird. Wenn Facebook bald wieder nicht-strafbare Hasspostings löschen will, muss es schnell seine Nutzungsbedingungen an die BGH-Vorgaben anpassen.

Konkret ging es um einen Fall aus Regensburg. Ein Mann hatte im August 2018 ein Video kommentiert, das einen Mann (mit Migrationshintergrund) zeigt, der die Kontrolle durch eine Polizistin verweigert, weil sie eine Frau ist. Dazu schrieb der Regensburger unter anderem in Großbuchstaben: „DIESE GOLDSTÜCKE KÖNNEN NUR EINES MORDEN?.?.?.?KLAUEN?.?.?.?RANDALIEREN?.?.?.?UND GANZ WICHTIG?.?.?.?NIE ARBEITEN“.

Facebook löschte diesen Hasspost am gleichen Tag und sperrte den Account des Regensburgers für dreißig Tage. Der Mann habe gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoßen, die „Hassrede“ verbieten, auch wenn sie nicht strafbar ist.

Auch Sperre nicht rechtens

Dagegen klagte der Regensburger bis zum Bundesgerichtshof und hatte jetzt Erfolg. Facebook muss den Hasspost wieder herstellen und darf den Mann wegen dieses Posts nicht mehr sperren.

Zunächst stellte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann fest, dass Facebook grundsätzlich das Recht hat, Gemeinschaftsstandards aufzustellen, die strenger sind als die staatlichen Gesetze. Bei Verstößen gegen diese Standards dürfe Facebook im Prinzip auch Beiträge von Nutzern löschen und deren Konten sperren.

Die Nutzungsbedingungen von Facebook seien jedoch unwirksam, so Richter Herrmann, weil sie die Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer zu wenig berücksichtigen. Konkret beanstandete der BGH ausschließlich, dass Nutzer bei Facebook-Sanktionen nicht angehört werden. Der BGH fordert, dass Betroffene über die Entfernung eines Beitrags „zumindest nachträglich“ informiert werden und eine „Möglichkeit zur Gegenäußerung“ erhalten. Über die beabsichtigte Sperrung eines Kontos muss sogar „vorab“ informiert werden.

Der BGH ließ ausdrücklich offen, ob die Facebook-Gemeinschaftsstandards inhaltlich zu sehr in die Grundrechte eingreifen. Strafbare Hasspostings, zum Beispiel Beleidigungen, können von Facebook auch weiterhin gelöscht werden (Az.: III ZR 192/20 u.a.). Christian Rath