Mehr Rahmen, weniger Regeln

FDP-Prominenz auf Wahlkampf-Besuch bei Joma-Polytec in Bodelshausen

Gestern waren FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und die Reutlinger Landtagskandidatin Wibke Steinhilber zu Gast bei der Bodelshäuser Firma Joma-Polytec.

11.12.2015

Von Susanne Mutschler

Zeigt Dinge, die man nicht sieht: Joma-Chef Hans-Ernst Maute (links) mit Wibke Steinhilber und Hans-Ulrich Rülke in der Produktion. Bild: Franke

Zeigt Dinge, die man nicht sieht: Joma-Chef Hans-Ernst Maute (links) mit Wibke Steinhilber und Hans-Ulrich Rülke in der Produktion. Bild: Franke

Bodelshausen. In Wahlkampfzeiten lädt Hans-Ernst Maute, Geschäftsführer der Fabrik Joma Polytec nicht nur, aber auch gerne seelenverwandte Politiker ein. Vertreter der Republikaner, der AfD und der Linken schließe er zumindest als Besucher aus, sagte er, als er gestern den FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke und die Reutlinger Landtagskandidatin Wibke Steinhilber zum Rundgang durch den rund 30 000 Quadratmeter großen Betrieb aufforderte.

Station Eins: Sevcan Tömek. Sie ist Kunststoff-Formgeberin, und 2013 hat die 28-jährige Türkin ihre Ausbildung abgeschlossen. Inzwischen trägt sie in der großen Produktionshalle die Verantwortung für 67 computer- und robotergesteuerte Maschinen. Dort werden in Kernspritztechnik technische Komponenten für die Automobilindustrie hergestellt. Immer mehr der schweren Metallbestandteile unter der Motorhaube werden durch Leichtbauelemente aus Kunststoff ersetzt, erklärt Maute: „Wir stellen Dinge her, die man nicht sieht“.

Neben den Motorteilen sind das vor allem Ölwannen und –pumpen. In Reinraumtechnologie wird medizinisches Zubehör für den Operationssaal produziert. Die Isolationsstege in Metallfensterrahmen entstehen als Meterware an komplizierten Extrusionsmaschinen. Eine Nischentechnologie sei das Schmelzkernverfahren, mit dem Kunststoffgegenstände gegossen werden können, die im Inneren Hohlräumen haben.

Tömek ist eine von Mautes Vorzeigemitarbeiterinnen. Mit Nachwuchskräften wie ihr kommt Joma-Polytec die Betriebstreue seiner Belegschaft zugute. 50 Prozent der Mitarbeiter in dem Bodelshäuser Betrieb haben Migrationshintergrund. Tömek habe sich mit so viel Erfolg in einen typischen Männerberuf eingearbeitet, dass sie möglicherweise bei einer der nächsten Geschäftsreisen nach Shanghai dabei sein werde, versprach der Firmenchef. Dort ist Joma-Polytec seit wenigen Monaten an einer Start-Up-Fertigungsfirma beteiligt, in der Kunststoffelemente für Motoren produziert werden.

Der Politik müsse es darum gehen, der Wirtschaft „Rahmenbedingungen bereitzustellen, aber keine engen Regeln“, sagte Rülke. Mittelständische, familiengeführte Betriebe wie Joma-Polytec wirtschafteten über Generationen hinweg nachhaltig, wandte er sich gegen Schäubles Vorschläge für eine Reform der Erbschaftssteuer. Es sollte „nachjustiert“ werden, forderte auch Maute, während der Rülke die Ansicht vertrat, die Erbschaftssteuer könne ganz abgeschafft oder auf einen Flatrate-Satz von fünf Prozent reduziert werden.

Zum Gespräch mit dem FDP-Politiker hatte Maute alle seine Auszubildenden zusammengetrommelt. Bei guten Abschlüssen bietet Joma-Polytec eine Weiterbildung nach dem dualen System an. Dominik Lutz etwa stockte seinen Hauptschulabschluss bis zur Fachhochschulreife auf.

Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann studiert Lutz bei voller Gehaltszahlung an der Dualen Hochschule in Ravensburg BWL. Die Praxisphasen verbringt er in der Bodelshäuser Firma. „So halten wir die Leute im Betrieb“, erklärte Maute. Für Hans-Ulrich Rülke war das ein Anlass, sich für das bisherige baden-württembergische Schulsystem und gegen „den Einheitsbrei“ einer verpflichtenden Gemeinschaftsschule auszusprechen. „Es gibt immer Anschlussmöglichkeiten“, warb er für ein „vielfältiges und durchlässiges“ Bildungsangebot.

Timo Nill, Auszubildender im zweiten Lehrjahr, fragte nach einem Lösungsvorschlag im Flüchtlingsproblem. Rülke sah die Aufnahmekapazitäten in Deutschland erschöpft. Jetzt müsse sich Europa solidarisch zeigen. Politisch Verfolgte sollten nur solange aufgenommen werden, wie die Bedrohung dauert. Doch der Strom der Flüchtlinge sei auch eine Chance für Deutschland, fand er, sofern ein Zuwanderungsgesetz den Zuzug geeigneter Fachkräfte regle.

Ungelernte Arbeitskräfte brauche man immer weniger, bekräftigte auch Maute. Selbst im Rohwarenlager, wo die Säcke mit den Kunststoffgranulaten gestapelt liegen, brauche es Kenntnisse in Logistik. Das Rohmaterial wird aus Saudi-Arabien angeliefert. Maute, der sich in einer Tübinger Bürgerinitiative für den Blogger Raif Badawi eingesetzt hatte, sagte dazu: „Wir machen gerne mit euch Geschäfte, aber es gibt ethische Grenzen“.

Kleine Geschichte von Joma Polytec

Die Firma Joma Polytec wurde 1958 von Johannes Maute gegründet. Sie stellt Kunststoffteile für die Automobil und Elektroindustrie, für die Medizintechnik und den Fensterbau her. Derzeit beschäftigt sie 426 Mitarbeiter, 14 davon sind Auszubildende. Eine neue Fertigungshalle soll im Januar bezogen werden. Dass die Gesamtleistung von 2014 (84 Millionen Euro) in 2015 übertroffen werden wird, nannte der Firmenchef „ein gedeihliches Wachstum“. Ein Wärmerückgewinnungssystem setzt die Kühlung der Werkzeuge als Heizung um. Die Fotovoltaik-Anlage speist jährlich 300 000 Kilowattstunden ein. Dem steht ein Energieverbrauch von 18 Millionen Kilowattstunden im Jahr gegenüber.