Bundestagswahl

FDP-Spitzenkandidat Theurer: Können Grüne noch überholen

Gut zwei Wochen vor der Wahl läuft es insgesamt gut für die Liberalen. Michael Theurer, Spitzenkandidat im Südwesten, sagt, das Mitregieren ist drin. Aber mit wem?

10.09.2021

Von ALFRED WIEDEMANN

Landeschef und Spitzenkandidat der FDP: Michael Theurer. Foto: Matthias Kessler

Landeschef und Spitzenkandidat der FDP: Michael Theurer. Foto: Matthias Kessler

Ulm. Viel Zuspruch in Meinungsumfragen und an Infoständen. täglich neue Mitglieder, fast 9000 hat die Südwest-FDP inzwischen, 20 Prozent Anteil bei den Jungwählern: Der gebürtige Tübinger Michael Theurer, Spitzenkandidat und Landesvorsitzender der Südwest-FDP, kann gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl zufrieden sein. Schaut man sich die Umfragewerte von vor einem Jahr an, „haben wir einen grandiosen Aufschwung hingelegt“, sagte Theurer bei einem Besuch der SÜDWEST PRESSE in Ulm. Trendwende sei die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März gewesen: „Eine starke FDP im Südwesten ist der Garant für eine starke Bundes-FDP.“

Die Neuausrichtung der FDP werde honoriert, „wir konzentrieren uns auf Lösungen, nicht auf Kritik“, sagt Theurer. Das komme an bei Bürgerinnen und Bürgern, die Orientierung suchten und lösungsorientierte Diskussionen verlangten. „Die FDP hat die Chance, dass wir so stark werden, dass wir gebraucht werden. Damit haben wir die Möglichkeit, unsere Inhalte umzusetzen.“ Sogar ein Überholen der Grünen sei im Endspurt „im Bereich des Möglichen“.

Für Gelb in der nächsten Bundesregierung müssen sich aber Partner finden. Die „Deutschlandvariante“, also Große Koalition mit der SPD vorn plus FDP? „Da müsste die Union einen SPD-Kanzler mitwählen“, so Theurer. Schwierig. Jamaica, also Schwarz-Grün-Gelb? Da gebe es auch „einige Tücken“ bei Verhandlungen. Und die Ampel, also SPD, Grüne und FDP? Das sei „nicht einfacher geworden“, nachdem Kretschmann nach der Landtagswahl im März 2021 für die FDP „die Tür zugeknallt hat“. Theuer würde es aber gern probieren, daran lässt er keinen Zweifel. Ob Jamaica-, Deutschland- oder Ampelkoalition: „Wir können detailliert in die Gespräche einsteigen“, sagt er, „wir haben vier Jahre intensiv daran gearbeitet.“

Theurers Dreiklang: „Entlasten bei den Steuern, entfesseln bei der Bürokratie und investieren in Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur.“ Beim Thema Investieren seien die Schnittmengen mit SPD und Grünen am größten. Schwieriger sei es in anderen Bereichen: „Die Schuldenbremse wollen wir behalten“, so Theurer, geordnete Staatsfinanzen seien „die Grundlage eines stabilen Gemeinwesens“. Nur bei Naturkatastrophen gelte eine Ausnahme.

„Wir wollen auch keine neuen Steuern, sondern Steuerentlastungen für Wachstumsimpulse“, sagt Theurer. Deutschland könne sich nicht leisten, wesentliche Teile des Mittelstandes zu verlieren, „weil wir nicht wettbewerbsfähig sind“, weil die Unternehmensteuern im OECD-Vergleich mit die höchsten seien. „Das sind unsere Kern- und Knackpunkte“, sagte Theurer. „Wenn Herr Scholz ins Kanzleramt einziehen will, wird er uns inhaltliche Zugeständnisse machen müssen.“ Auch bei der Entbürokratisierung, der Digitalisierung, der Modernisierung der Verwaltung. „Dafür ist die SPD zu gewinnen“, zeigt sich Theurer überzeugt.

Beim „harten Klimaschutz“ habe die FDP den Anspruch, mit den Grünen in eine „intensive Argumentation“ zu gehen: „Klimaschutz ja, ambitioniert ja, aber bei der Wahl der Mittel eben keine Verbots- und Verzichtsideologie, sondern technologiegetrieben und marktwirtschaftlich“, sagt Theurer. „Im Detail wird es dann spannend.“

Das Hochsubventionieren batteriebetriebener Fahrzeuge sei falsch, damit seien die Klimaziele nicht zu erreichen. Das E-Auto sei nicht klimaneutral, hätte „mit dem heutigen Strommix den CO2-Fußabdruck eines Erdgasautos“. Falsch sei auch, synthetische Kraftstoffe schlechter zu stellen. „Wenn das Ziel Klimaschutz ist, dann ist es egal, wie CO2 eingespart wird, die CO2-Menge muss begrenzt werden, das wollen wir.“ In den Europäischen Emissionshandel müssten neben Strom und Industrie auch Verkehr, Landwirtschaft und Wärme einbezogen werden. Ohne Wasserstoff werde es nicht gehen, sagt Theurer, die FDP habe dazu die „EU-Wasserstoffunion“ entwickelt. In Portugal seien die Photovoltaik-Kosten so niedrig, dass grüne synthetische Kraftstoffe zu Kosten kurz vor der Wirtschaftlichkeitsgrenze hergestellt werden könnten.