Landtag
Explodierende Nachfrage nach Bürgschaften
Die Auswirkungen der Pandemie setzen dem Mittelstand zu. Das wirkt sich auf Landesbürgschaften aus.
Stuttgart. Die Corona-Krise führt in der baden-württembergischen Wirtschaft zu einer Explosion der Bedarfe an Bürgschaften. 2020 haben die Bürgschaftsbank Baden-Württemberg, die landeseigene L-Bank und der Landtag Bürgschaften mit einem Rekordvolumen von insgesamt 834 Millionen Euro genehmigt. Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag die Vergleichssumme noch bei 67 Millionen Euro. Das geht aus einer Aufstellung für den Wirtschaftsausschuss des Landtags hervor, die dieser Zeitung vorliegt.
Auch im zweiten Corona-Jahr ist die Nachfrage exorbitant hoch: Von Januar bis Oktober 2021 sind bereits Bürgschaften mit einem Gesamtvolumen von 531 Millionen Euro genehmigt worden. Die aktuelle, vierte Corona-Welle dürfte den Bedarf weiter nach oben schnellen lassen.
Bis zur Pandemie war die Bürgschaftsbank für Summen bis zu 1,25 Millionen Euro zuständig, die L-Bank bis zu einer Höhe von 5,0 Millionen Euro, alle größeren Beträgen musste der Landtag über den Wirtschaftsausschuss absegnen. Im April 2020 hatte der Ausschuss erstmals einer temporären Anhebung zugestimmt, seither ist die Bürgschaftsbank für Beträge bis zu 2,5 Millionen Euro zuständig, die L-Bank bis zu 20 Millionen Euro und der Landtag für alles darüber. Begründet wird die Einschränkung der Parlamentsrechte mit der Krise und dem erhöhten Interesse der Wirtschaft an einer möglichst raschen Bearbeitung der Anträge.
Tatsächlich war der Ausschuss seit Ausbruch der Corona-Krise nur im Falle einer 41-Millionen-Euro-Bürgschaft des Landes für den Zughersteller Bombardier gefragt, der einen Standort in Mannheim hat. 99 Prozent der Bürgschaften sind aktuell in der Größenklasse von bis zu 2,5 Millionen Euro, also dem Segment der vom Bund rückgesicherten Bürgschaftsbank.
Die aktuelle Ausnahmereglung läuft Ende des Jahres aus. Eine Verlängerung soll nun auf Druck des Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, Erik Schweickert (FDP), Thema in einer Sondersitzung am 1. Dezember sein. Nach Gesprächen mit Banken- und Wirtschaftsvertretern sieht Schweickert zudem mittelfristig Bedarf für eine Reform, die dem Landtag wieder mehr Rechte als während der Krise einräumt, aber Entwicklungen wie gestiegene Preise für Maschinen berücksichtigt und den Banken mehr Entscheidungen in Eigenregie zubilligt als vor der Krise.
Zu einem möglichen neuen Konzept äußerte sich das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage nicht; gegenüber dem Landtag soll Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) aber bereits ein Reformpapier bis zum Sommer des Jahres 2022 angekündigt haben. Roland Muschel