Green Finance

Experten: Grüne Anlagen leisten wenig Beitrag zum Klimaschutz

Experten bezweifeln, dass sogenannte grüne Geldanlagen einenen nennenswerten Effekt auf die Nachhaltigkeit haben. Nur ein direktes Engagement zeige Wirkung. Von Robert Obertreis

20.11.2021

Von Rolf Obertreis

Greenpeace-Aktion in Montreal gegen das Investment einer Bank in Pipelines. Foto: Andrej Ivanov/afp

Greenpeace-Aktion in Montreal gegen das Investment einer Bank in Pipelines. Foto: Andrej Ivanov/afp

Grüne“ Aktien, Anleihen und Fonds leisten nur bedingt einen Beitrag zum Klimaschutz und zum Wandel der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit. Das behaupten das Leibnitz-Institut für Finanzmarktforschung Safe in Frankfurt, die European School of Management and Technology (EMST) in Berlin und das Ifo­-Leibnitz-Institut Dresden in einer gemeinsamen Studie. Green Finance weise nicht unbedingt die positiven Eigenschaften auf, die Anleger von ihnen erhofften. Es gebe in Unternehmen und im Staatshaushalt keine ursächliche Verknüpfung zwischen grünen Finanzanlagen und einer Verwendung der Gelder für grüne Zwecke, sagt Marcel Thum, Leiter des Ifo-Instituts in Dresden. Die Autoren sprechen von einer „naiven“ Interpretation von grünen Finanzprodukten.

„Wer in grüne Finanzanlagen investiert, macht dadurch zwar sein eigenes Portfolio grüner“, sagt Professor Pieter Krahnen, Direktor des Safe-Instituts. „Aber es ändert sich nichts an den Emissionen der Gesamtwirtschaft.“ Unternehmen, die grüne Aktien emittierten, wirtschafteten allein dadurch nicht nachhaltiger. Auch eine Einbringung von Aktien von Firmen, die ökologisch verantwortlich arbeiteten, in einen Fonds führe nicht zu einer Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Ähnlich ist es bei grünen Bundesanleihen. Sie ersetzten lediglich konventionelle durch grüne Anleihen. „Durch grüne Staatsanleihen werden dem Bundeshaushalt keine zusätzlichen Mittel zur nachhaltigen Transformation zur Verfügung gestellt“, sagt ESMT-Präsident Jörg Rocholl. Der Kauf dieser Staatsanleihen könne also keine direkte Einflussnahme auf den Klimaschutz bewirken.

Schätzungen zufolge waren 2020 weltweit 1,7 Billionen Dollar in grüne Anlagen investiert. Große Vermögensverwalter und Fondsanbieter wie Black Rock und hierzulande DWS, Union Investment und Deka rücken nachhaltige Anlagen immer weiter in den Vordergrund. Doch dieser nach Ansicht der Studie „dramatische“ Wandel hat viel weniger Auswirkungen auf eine Veränderung von Wirtschaft und Unternehmen als gedacht. „Viele der Nachhaltigkeitsversprechen von Fondsmanagern entpuppen sich als billiges Gerede mit nur einer geringen Wirkung in der realen Wirtschaft, Wenn überhaupt“, schreiben die Autoren. Grund sei die Schwierigkeit, eine Verknüpfung zwischen den Finanzanlagen und den Investitionen in einem nachvollziehbaren Weg aufzeigen zu können. Dies ist nach Ansicht der Autoren allenfalls bei den CO2-Emissionen möglich. Sie erwarten auch keine entscheidende Abhilfe durch die EU-Taxonomie, die definieren soll, was grün und nachhaltig ist und was nicht. Generell aber sei ein politischer Regulierungsrahmen wichtig und bewirke mehr als privates Engagement. So ließe sich der Schadstoffausstoß mittels eines Emissionshandelssystems erheblich verringern, sodass ein machbarer Anpassungspfad in Richtung einer CO2-neutralen Gesellschaft erreicht werde.

Eine Analyse der von ihr emittierten grünen Anleihen hat die staatliche Förderbank KfW vorgelegt. Seit 2014 hat sie Green Bonds im Volumen von 45,9 Milliarden Euro ausgegeben, durch die finanzierten Maßnahmen haben sich laut KfW die eingesparten Emissionen bis Ende 2020 auf 15,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente summiert. 20 Millionen Megawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien seien produziert, eine zusätzliche Kapazität von 11 000 Megawatt finanziert und 424 000 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen worden.

Renditeeinbußen sind unvermeidlich

Statt mit dem Kauf grüner Aktien könnten Privatanlegerinnen und -anleger, so jedenfalls die Studie, mehr bewirken, wenn sie sich persönlich oder über Fondsmanager aktiv in die Entscheidungsprozesse der Unternehmen einbringen würden, um so eine tatsächliche Änderung in der Produktion hin zu mehr Nachhaltigkeit anzustoßen. „Dabei müssen sie aber bereit sein, Renditeeinbußen hinzunehmen, denn eine grüne Unternehmenspolitik geht in der Regel zulasten der Erträge“, behauptet Ifo-Direktor Marcel Thum. otr

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Erstellt:
20.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 20.11.2021, 06:00 Uhr

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