Et au pire on se mariera

Et au pire on se mariera

In „Et au pire on se mariera“ leuchtet die Regisseurin Léa Pool eine tabuisierte Teenie-Obsession aus.

08.11.2017

Von dhe

Teenie-Dramen sind eine Spezialität der schweizerisch-kanadischen Regisseurin Léa Pool, die regelmäßig in der Kanada-Reihe der Französischen Filmtage mitmischt. „Lost and Delirious“ thematisierte die Liebe zweier Internatsschülerinnen aus der Sicht einer Neuen. In „Maman est chez le coiffeur“ ging es um eine 15-Jährige, deren Mutter von einem Tag auf den anderen die Familie verlässt, vermutlich, weil der Vater einen Kollegen liebt (ein Tabu im Kanada der sechziger Jahre).

Nun hat sich die Filmemacherin ein weiteres Tabu vorgenommen: Die 14-jährige Aïcha (großartig: Sophie Nélisse) verliebt sich in den fast doppelt so alten Musiker Baz (Jean-Simon Leduc).

Mit ihrer hochgewachsenen Statur wirkt das Mädchen äußerlich ziemlich erwachsen. Doch seit ihre Mutter den geliebten Stiefvater vor die Tür gesetzt hat, fühlt Aïcha sich sehr allein. Sie schwänzt die Schule, gleitet auf ihren Rollerskates durch die Stadt – und entfernt sich fast unmerklich immer weiter von den anderen. Den Musiker Baz, dem sie durch Zufall begegnet, betrachtet die 14-Jährige als einzigen Halt in ihrem Leben. Der Mann ist ihr einerseits zugetan und spürt, dass sie Hilfe braucht. Andererseits ist er mit dieser Erwartung überfordert – weshalb der Film auch davon handelt, was schwer akzeptierbare Zurückweisungen auslösen können.

Das Geschehen entwickelt sich so beklemmend, dass zartere Gemüter den Film besser erst ab 16 anschauen sollten. Beunruhigend ist auch, wie hilflos die Erwachsenen sind, die Warnzeichen zwar erkennen und Aïcha daraufhin ansprechen, aber nichts ausrichten können. Das Mädchen ist ausweglos den eigenen Gefühlen ausgeliefert, kann aber die Ursache dafür nicht erkennen. Ein Coming-of-Age fällt für sie aus: Sie scheint auf der Entwicklungsstufe des trotzigen Kleinkinds festgebannt. Die eindringliche Psychostudie dürfte ein heißer Kandidat für die Tübinger „Film und Psychoanalyse“-Reihe sein.

Außergewöhnliches Teenie-Drama. Alterstypische Schwärmerei steigert sich zur beklemmenden Psychospirale.