Amokfahrt von Trier

„Es ist einfach nur furchtbar“

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin eilt an ihrem Wohnort Trier gleich in die Innenstadt, wo ein 51-jähriger Mann mehrere Menschen totgefahren hat. Auch Anwohner des Tatorts zeigen sich fassungslos.

02.12.2020

Von DPA

Sicherung: Polizisten im Einsatz an der Fußgängerzone, wo ein Autofahrer Menschen angefahren und getötet oder schwer verletzt hat. Foto: Harald Tittel/dpa

Sicherung: Polizisten im Einsatz an der Fußgängerzone, wo ein Autofahrer Menschen angefahren und getötet oder schwer verletzt hat. Foto: Harald Tittel/dpa

Ermittler suchen nach Spuren, und auch Stunden nach der Amokfahrt von Trier sind weite Teile der Fußgängerzone mit weiß-rotem Polizei-Band abgesperrt. Wo das Auto entlang gerast ist, liegen Dinge auf der Straße. Die Polizei spricht von fünf Toten, darunter ein neun Monate altes Kind. Die Mutter liegt verletzt im Krankenhaus. Festgenommen wird ein 51?Jahre alter Deutscher aus dem Kreis Trier-Saarburg.

Das PS-starke Fahrzeug war in Trier von der Basilika über den Hauptmarkt bis zur Porta Nigra gerast, dem weltberühmten Stadttor aus der Römerzeit. In der nahen Christophstraße hielt der Wagen nach etwa 200 Metern an, Polizisten überwältigten den Fahrer. Das passierte „vier Minuten nach Ersthinweis“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD).

Dom zum Gebet geöffnet

Lewentz spricht von einem „sehr langen Tatweg“, der Meter für Meter untersucht werde. „Es geht den Menschen enorm nahe, auch den Einsatzkräften.“ Er ist zusammen mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gekommen, die in Trier wohnt. Beide stehen sichtbar erschüttert im fahlen Licht der TV-Kameras.

„Es ist einfach nur furchtbar“, sagt Dreyer. Das Allerschlimmste sei, dass Menschen ihr Leben verloren hätten. Unweit schlagen die Glocken des Doms. Bischof Stephan Ackermann hat für den Abend zum Gebet für die Opfer in den Dom eingeladen.

Oberstaatsanwalt Peter Fritzen zufolge war der mutmaßliche Fahrer betrunken. Der Atemalkoholwert betrage 1,4 Promille. Es gebe Anhaltspunkte für ein psychiatrisches Krankheitsbild. Ermittelt wird wegen Mordes in fünf Fällen, denn der Wagen war Zick-Zack-Linien gefahren – vielleicht, um Menschen zu treffen.

Mit Einbruch der Dunkelheit stellen Bürger einige Kerzen auf. Erschüttert schildern Augenzeugen, wie Menschen von dem Wagen durch die Luft geschleudert wurden.

„Es ist unfassbar. Wir sind fassungslos“, sagt eine Bewohnerin eines Hauses, das an die Fußgängerzone grenzt, durch die der Täter gefahren ist. Auf den Kopfsteinpflastern sieht man einen Blutfleck, blutgetränkte Tücher. „Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht.“

Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe spricht von „einem Bild des Grauens“. Das sei „der schwärzeste Tag der Stadt Trier nach dem Zweiten Weltkrieg.“ Ein in Trier geborener Mann habe mutmaßlich Trierer getötet. Dieses Trauma werde die Stadt aufarbeiten. „Ich will wissen, warum jemand das tut“, betont Leibe. „Ob ich darauf eine Antwort bekomme, weiß ich nicht.“

Warum bei uns? Diese Frage stellen sich viele Menschen im vorweihnachtlich geschmückten Trier. Die Stadt mit rund 112?000 Einwohnern, Geburtsstadt von Karl Marx (1818-1883), gilt als älteste Stadt Deutschlands. In internationale Schlagzeilen gerät Trier nur selten.

Nach der Todesfahrt kreisen Hubschrauber über der Innenstadt. Die Polizei rät der Bevölkerung zunächst, das Zentrum zu meiden. Dann macht die Nachricht die Runde, der Fahrer sei festgenommen worden. Die Erleichterung ist spürbar.

In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das die Festnahme zeigen soll. Zwei Polizeiautos sind zu sehen, die einem beschädigten Fahrzeug offenbar den Weg abschneiden. Ein Mann liegt auf dem Boden, drei Männer halten ihn fest.

Stunden nach der Nachricht von der Festnahme hasten noch wenige Menschen an den Geschäften vorbei. Durch die nasskalte Luft dröhnen grell noch einige Polizeisirenen.

„Wir werden an der Porta Nigra, die seit 1800 Jahren in dieser Stadt steht, einen Trauerort einrichten“, kündigt Leibe an. Trier brauche nun einen Platz, an dem Menschen ihre Solidarität zeigen könnten. dpa

Der Tatort mitten in Trier. Foto: Grafik Scherer / Quelle dpa

Der Tatort mitten in Trier. Foto: Grafik Scherer / Quelle dpa

Trümmer, Rettungswagen und irritierte Passanten: die Trierer Fußgängerzone am späten Nachmittag. Foto: Afp

Trümmer, Rettungswagen und irritierte Passanten: die Trierer Fußgängerzone am späten Nachmittag. Foto: Afp

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Erstellt:
02.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 02.12.2020, 06:00 Uhr

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