Schuleschwänzen füs große Ganze

Es gibt Gründe und gute Gründe

Das letzte Mal, dass so viele Schülerinnen, Schüler und Studierende für eine Demonstration die Tübinger Neckarbrücke bevölkerten wie am Freitagmittag, dürfte im Jahr 2003 gewesen sein. Damals ging es um den Irakkrieg und die US-Präsidentschaft von George W. Bush junior.

19.01.2019

Von Lorenzo Zimmer

Und irgendwie hängt ein US-Präsident auch dieses Mal wieder mit drin. Denn Donald Trump gehört zu den Menschen auf dem Planeten Erde, die nicht wahrhaben wollen, welche fatalen Folgen für das Klima mit dem Beginn der Industrialisierung vor rund 200 Jahren angestoßen wurden.

Die Initiative „Fridays for Future“ hatte in vielen Städten Baden-Württembergs für gestern zu einem Klimastreik mit Demonstration aufgerufen. „Der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung für unsere Zukunft“, schrieben die Initiatoren des Streiks im Aufruf, dem in Tübingen rund 1000 junge Menschen folgten.

Die Demo, bei der die Jugendlichen und jungen Erwachsenen für ihre ureigensten Interessen, ihre Zukunft und die ihrer Nachkommen einstanden, begann um 11 Uhr – während der Schulzeit. Die Schulleitungen fanden zu unterschiedlichen Bewertungen der Sachlage: Das Kepler-Gymnasium stellte es vier besonders engagierten Schülerinnen und Schülern pro Klasse frei, die Demo zu besuchen. Lehrer des Carlo-Schmid-Gymnasiums machten die Demo kurzerhand zu einer Art Schulveranstaltung und erschienen geschlossen mit ihren Klassen .

Und die Leitung der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) schrieb an die Eltern: „Streik impliziert zivilen Ungehorsam. Schüler/innen, die sich ganz bewusst für diese Demonstration und gegen den Unterricht entscheiden, müssen natürlich auch die Konsequenzen tragen, die wir schulintern absprechen werden.“

Und dennoch wird im Schreiben deutlich: Die Schulleitung der Geschwister-Scholl-Schule unterstützt die Ziele der Demo. Doch ein Streik sei eben kein Streik, wenn er vorher genehmigt und abgesprochen werde. Welche Konsequenzen die der Schule Ferngebliebenen also zu befürchten haben, ist unklar. Eines lehnen die GSS-Schulleiter Martin Schall und Christoph Schnittert jedoch rigoros ab: Potentielle Trittbrettfahrer, die die Demo nutzen, um blauzumachen und mehr Freizeit zu haben. Diese Schulschwänzer dürften jedoch deutlich in der Unterzahl gewesen sein.

Das Engagement der Studierenden- und Schülerschaft ist vor allem deshalb zu loben, weil die schonungslose Anerkennung der Faktenlage keine Selbstverständlichkeit ist. Die „Sozialen Medien“ sind voll von Kommentaren, die „die Klimalüge“ thematisieren und sich dumpfbackig der vermeintlich einfachsten Lösung anschließen: dass es den menschengemachten Klimawandel gar nicht gibt. Es ist zweifelsohne deutlich härter, der Tatsache ins Auge zu blicken, dass die Menschheit sich ihrer eigenen Lebensgrundlage auf dem Planeten Erde beraubt.

Wenn ihr, liebe Schulen, also über eine „Bestrafung“ eurer Schülerinnen und Schüler nachdenkt, sollten Nachsicht und Angemessenheit nicht verlorengehen. In diesem konkreten Fall darf man eines nicht vergessen: Es gibt Gründe, nicht in die Schule zu kommen. Und manchmal gibt es gute Gründe. Denn Weltklima schlägt Schulklima.