Gäste der Woche

Es geht um die großen, universellen Themen

Juliane Bing und Jessica Grün sind die Initiatorinnen der Tübinger Menschenrechtswoche, die unlängst zu Ende ging. Den zwei Politik-Studentinnen geht es auch um die sozialen Rechte von Näherinnen in Fernost, die für unsere billige Kleidung schuften.

01.07.2017

Von Volker Rekittke

Juliane Bing (links) und Jessica Grün organisierten auch die dritte Tübinger Menschenrechtswoche. Bild: Metz

Juliane Bing (links) und Jessica Grün organisierten auch die dritte Tübinger Menschenrechtswoche. Bild: Metz

Die Welt zu einem besseren Ort machen? „An der World Citizen School haben wir ja alle diesen Weltverbesserungsanspruch“, sagt Jessica Grün, 23. Die Studentin der Politikwissenschaft will etwas verändern. Die Menschen informieren, wachrütteln, eine Antwort auf die Frage zu geben: „Was können wir hier tun?“

Ob Peitschenhiebe für den saudischen Blogger Raif Badawi, die Verhaftung von Journalisten in der Türkei oder von Demonstranten in Russland: Menschenrechte werden überall auf der Welt verletzt. Auch in Deutschland? „Es gibt auch bei uns Verbesserungsbedarf“, sagt Grün – etwa bei den Themen Kinderarmut und Gewalt gegen Frauen. Und: „Wer bei uns einen ausländisch klingenden Namen hat, hat schnell Probleme bei der Wohnungssuche“, sagt Juliane Bing. Für die ebenfalls 23-Jährige „ein klarer Fall von Diskriminierung“.

Politische und soziale Menschenrechte sind für die beiden Politik-Studentinnen gleich wichtig. Was nützt die Teilnahme an Wahlen oder an Demonstrationen, wenn man keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Schulbildung hat? „In Deutschland müssen wir uns keine Gedanken darüber machen, ob wir morgen etwas zu essen haben oder sauberes Trinkwasser“, so Grün: „Das ist eine sehr privilegierte Position.“

Deshalb will Bing auch darüber reden, „dass wir in Deutschland und Europa von der Ausbeutung der Menschen in ärmeren Ländern profitieren“. Denn nur weil die Näherinnen in Südostasien erbärmlich bezahlt werden und oft an ungesunden, unsicheren Arbeitsplätzen schuften müssen, können sich selbst gering verdienende Europäer/innen häufig billige Klamotten bei H&M, New Yorker & Co. leisten. Auch im grünalternativen Tübingen. Der aufrüttelnde Film „The True Cost – Der wahre Preis der Kleidung“, der unlängst im Rahmen der Menschenrechtswoche gezeigt wurde, dokumentiert dieses globale System der „Fast Fashion“.

Am Pranger stehen für die beiden Studentinnen aber auch „die ungleichen Handelsverträge der EU mit Afrika, mit denen den Menschen dort die Lebensgrundlage entzogen wird“, so Bing: „Kein Wunder, dass sich so viele von ihnen auf den Weg nach Europa machen.“

Grün und Bing kamen über die United-Nations-Hochschulgruppe zur World Citizen School mit ihren 23 studentischen Gruppen, die am Weltethos-Institut Tübingen beheimatet ist. Von hier aus werden Seminare und Workshops, Konferenzen und Aktionswochen geplant und veranstaltet.

Warum interessieren sich zwei junge Studentinnen für Menschenrechte und internationale Politik? „Unsere Generation kommt nicht mehr über politische Parteien oder Gruppen zum Engagement“, sagt Grün. Vielen gehe es um die großen, universellen Themen: Menschenrechte und Umweltschutz, Bildungschancen und faires globales Wirtschaften. „Es ist wichtig, dass es Parteien gibt – aber genauso wichtig sind NGOs und andere Gruppen, die Druck auf die Politik ausüben.“ Damit sich etwas verändert.

Und so veranstalteten Jessica Grün und Juliane Bing zusammen mit anderen Studierenden 2015 erstmals die Tübinger Menschenrechtswoche – dieses Jahr bereits zum dritten Mal. Längst gibt es eine eigene Facebook-Seite, das Organisationsteam der Menschenrechtstage 2017 bestand aus elf Mitstreiter(inne)n.

Dass es manchmal gar nicht so einfach ist mit dem Thema Menschenrechte, das merkten Grün und Bing bald. Beide studierten zwei Semester lang Völkerrecht. „Es werden sogar Kriege unter dem Deckmantel von Menschenrechten und Demokratie geführt“, sagt Bing – und nennt als Beispiel die westlichen Interventionen in Afghanistan und dem Irak, die von manchen eher als „imperialistische Kriege“ bezeichnet würden.

Wann kann man von „universellen“, also überall und immer gültigen Menschenrechten sprechen? „Wir müssen vorsichtig sein, wenn der Eindruck entsteht, dass wir immer nur mit dem Finger auf andere zeigen“, sagt Bing. Und doch gebe es Grenzlinien, ergänzt Grün. Die Vereinten Nationen sagten klipp und klar, dass es keine Rechtfertigung, auch keine so genannten kulturellen Gründe, für die Diskriminierung von Frauen und vor allem für jegliche Form von Gewalt gegen Frauen gibt. Für beide war die dritte zugleich ihre letzte Menschenrechtswoche. Grün will ihren Master in Wien machen, Bing zunächst ein Auslandspraktikum in Uganda.

Jessica Grün

1993 geboren in Wien

2007 ein Jahr mit der Familie in

Kanada

2013 Matura mit Schwerpunkt

Internationales Dienstleistungsmanagement mit Ausbildung zur Köchin, dabei ein halbes Jahr als Servicekraft in

Schottland

2013 - 2017 Studium Politikwissenschaft / Öffentliches Recht Tübingen

2015 Mit-Initiatorin der Tübinger
Menschenrechtswoche

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Erstellt:
01.07.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 04sec
zuletzt aktualisiert: 01.07.2017, 01:00 Uhr

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