Klägerin gegen Ausgangssperre

Es geht ihr um Grundrechte – und Neckarspaziergänge

Für die Tübingerin, die gerichtlich die landesweite Ausgangssperre kippte, war der Gang nach Mannheim ihre erste Klage. Die Pandemiebekämpfung findet sie richtig – aber der Grundrechtseingriff geht ihr zu weit.

09.02.2021

Von job

Symbolbild: Metz

Symbolbild: Metz

Die Frau, die mit ihrem Antrag am Verwaltungsgerichtshof Mannheim die landesweite Ausgangssperre kippte, möchte anonym bleiben. Für sie spricht ihr Rechtsanwalt, der Tübinger Peter Bohnenberger. Er verrät nur so viel: Sie ist zwischen 30 und 40 Jahren alt – und sehr naturverbunden. Das sei auch einer der Gründe, warum sie sich juristisch gegen die nächtliche Ausgangsbeschränkung gewehrt hat: Ihr fehlten die abendlichen Neckarspaziergänge.

Nicht prinzipiell gegen die Maßnahmen

Weder er noch seine Mandantin haben prinzipiell etwas gegen die Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen. „Wir sind ja keine Corona-Spinner, wir haben beide Grün gewählt“, betont Bohnenberger, „uns geht es um die Freiheitsrechte.“ Seine Mandantin habe die Ausgangsbeschränkungen bei den hohen Infektionszahlen immer hingenommen. „In einem Hochinzidenzgebiet wie in Sachsen kann das durchaus sinnvoll sein“, findet auch Bohnenberger. Doch als sich das Infektionsgeschehen in der Region immer mehr abschwächte, sah die Frau es nicht mehr ein, dass sie abends nach der Arbeit nicht mehr an die frische Luft gehen durfte – aber tagsüber die Busse voll sind.

Wegen weniger Regelbrecher nicht alle einschließen

So entschied sie sich, die Verordnung gerichtlich prüfen zu lassen. In seinem Antrag, der dem TAGBLATT vorliegt, argumentierte Bohnenberger unter anderem, es sei nicht nachvollziehbar, „dass ab 20 Uhr eine größere Infektionsgefahr bestehen soll, wenn man sich – wie tagsüber – an der frischen Luft verordnungskonform aufhält“. Das Virus sei ja nicht ausschließlich nachtaktiv. Wenn es den Ordnungsbehörden darum gehe, nächtliche Trinkgelage unter Jugendlichen zu vermeiden, dann sollten sie eben ordentlich kontrollieren: Es gehe nicht an, dass deshalb auch seine Mandantin nicht raus dürfe. „Man kann doch wegen wenigen, die gegen die Regeln verstoßen, nicht die ganze Bevölkerung nachts unter Quarantäne stellen.“

Anwalt: „Die Gewaltenteilung funktioniert“

Es gebe außerdem mildere und sinnvollere Mittel: Schnelltests, mehr Homeoffice, mehr Busse zu Stoßzeiten. Deshalb habe sich die Tübingerin zur Klage entschlossen – ihrer ersten.

Gegen eine Beschneidung der Grundrechte müsse man sich mit juristischen Mitteln wehren, nicht mit Krawall, so Bohnenberger – dafür sei der Rechtsstaat ja da. Dass die Mannheimer Richter seinem Antrag stattgaben, nachdem sie zwei Mal ähnliche Klagen abwiesen, hat ihn positiv überrascht: „Es ist sehr erfreulich, dass die Exekutive in ihre Grenzen gewiesen wurde. Es zeigt, dass die Gewaltenteilung auch in Krisenzeiten funktioniert.“