Landtagswahl

Es bleibt weniger Zeit, Unterschriften zu sammeln

Wegen Corona können die Parteien keine Landtagskandidaten nominieren. Das bringt vor allem die kleineren unter Druck.

15.04.2020

Von Renate Angstmann-Koch

Die Tübinger FDP ist fein raus. Kurz bevor die Corona-Pandemie reihenweise zur Absage geplanter Veranstaltungen zwang, trafen sich ihre Mitglieder am 11. März in der Loretto-Gaststätte zur Nominierungsversammlung. Sie stellten die 31-jährige Irene Schuster als Tübinger Kandidatin für die Landtagswahl am 14. März 2021 und Nils Högsdal, 47, als Zweitkandidaten auf.

Die anderen Parteien im Wahlkreis Tübingen hatten weniger Glück. Die Landtagsnominierung der Grünen war für den 27. März vorgesehen. Neben der Bewerbung des amtierenden Abgeordneten Daniel Lede Abal, 43, lag eine weitere vor. Die CDU hatte die Absicht, einen Tag später in der Wurmlinger Uhlandhalle die 37-jährige Polizeibeamtin, Rottenburger Stadträtin und Oberndorfer Ortsvorsteherin Diana Arnold zu nominieren. Zweitkandidat sollte der Politikwissenschaftler Christoph Naser, 28, werden.

CDU und Grüne mussten ihre Wahlkreiskonferenzen auf unbestimmte Zeit verschieben. Ähnlich ist es bei der SPD. Bei ihr hält sich die 38-jährige Tübinger Stadträtin und stellvertretende Landesvorsitzende Dorothea Kliche-Behnke bereit, ihre Bewerbungsrede zu halten. Eigentlich sollte es am 9. Mai so weit sein – doch auch dieser Termin ist nicht zu halten. Die Versammlung wird mindestens bis in den Sommer verschoben, so der Kreisvorsitzende Andreas Weber, aber vielleicht auch bis in den Herbst. Man fahre auf Sicht.

Die Linke wollte ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten im Mai oder Juni aufstellen. „Aber das ist so nicht zu machen“, sagt der frühere Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit. Noch sei nicht klar, wann Versammlungen mit etwa 50 Teilnehmenden wieder zulässig sind. Theoretisch genügt es, wenn Parteien erst im Herbst Kandidaten nominieren. Die Wahlvorschläge müssen spätestens am 59. Tag vor der Wahl bis 18 Uhr beim Kreiswahlleiter eingereicht werden. Das ist der 14. Januar 2021.

Doch Strasdeit weist auf ein spezielles Problem von Parteien hin, die bisher nicht im Landtag sind: Sie brauchen für ihre Wahlvorschläge die Unterschrift von mindestens 150 Wahlberechtigten aus dem Wahlkreis – ebenso wie Einzelbewerber. Das dürfte für die Linke in Tübingen kein Problem sein –, für kleinere Parteien aber vielleicht schon. Da stelle sich verfassungsrechtlich die Frage nach der Chancengleichheit.

In Zeiten der Kontaktbeschränkung könne man weder mögliche Bewerber direkt ansprechen noch Nominierungsversammlungen abhalten noch von Angesicht zu Angesicht Unterschriften sammeln, so Strasdeit: „Die Coronagesetzgebung widerspricht der Wahlgesetzgebung.“ Aus seiner Sicht müsste die Landesregierung unter diesen Umständen eine Wahlrechtsänderung auf den Weg bringen – etwa ermöglichen, dass Bundestagsparteien bei Landtagswahlen auch ohne Unterstützer-Unterschriften antreten dürfen. Bisher denkt man im Stuttgarter Innenministerium noch nicht über eine Verschiebung der Wahl oder andere Änderungen nach. Man beobachte die Lage aber sehr genau, so die Auskunft uns gegenüber. Renate Angstmann-Koch