Tübingen · Tarifstreit

Erste Proteste am Uniklinikum

Klinikums-Beschäftigte starten am Mittwoch mit einer Kundgebung in die nächste Verhandlungsrunde. Ihr Hauptargument ist der gestiegene Wert der Pflege.

23.10.2019

Von Eike Freese

Symbolbild: Ulrich Metz

Symbolbild: Ulrich Metz

An diesem Freitag geht die Tarifauseinandersetzung zwischen den Beschäftigten der Unikliniken und dem Arbeitgeberverband Uniklinika in die zweite Runde. Nachdem Gespräche vor zwei Wochen ergebnislos blieben, kündigt die Gewerkschaft Verdi für den heutigen Mittwoch Aktionen an. „Die Pflegekräfte sind selbstbewusst, das wird man diesmal spüren“, zeigt sich Verdi-Verhandlungsführerin Irene Gölz kämpferisch.

7000 in Tübingen betroffen

In Tübingen ist zunächst eine einzelne Protestkundgebung mit wenigen Beschäftigten vor dem Klinikums-Casino geplant. Der Klinikbetrieb sei nicht betroffen, aber man wolle deutlich Präsenz zeigen, heißt es aus der Gewerkschaft. Außerdem habe man 1700 Unterschriften gesammelt, die man der Gegenseite zukommen lasse. In Tübingen sind nach Auskunft des Uniklinikums rund 7000 Beschäftigte betroffen, insgesamt betrifft die Runde 25 000 Leute in den Klinika Tübingen, Freiburg, Heidelberg und Ulm. An anderen Orten soll es heute nicht bei reinen Kundgebungen bleiben, heißt es.

Die Gewerkschaft fordert acht Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 18 Monaten, für Beschäftigte in der Pflege noch einmal 200 Euro monatlich zusätzlich, mit Verweis auf das Pflegepersonalstärkungsgesetz. Zudem soll über einen Tarifvertrag „alternsgerechtes Arbeiten“ verhandelt werden – und Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit soll zeitlich höher bewertet werden. Lehrlinge sollen 130 Euro monatlich mehr bekommen, dazu fünf freie Lerntage extra pro Ausbildungsjahr.

Bamberg: Forderungen zu hoch

Tübingens Leitender Ärztlicher Direktor Michael Bamberg kritisiert zunächst einmal die Forderung von acht Prozent gegenüber dem TAGBLATT als zu hoch: Sie liege „spürbar über den Abschlüssen, die beispielsweise beim TVÖD oder TV-L erzielt wurden“. Nicht nur habe Verdi Zusatzforderungen gestellt, die im aktuellen Tarifstreit gar nicht zur Debatte stünden – die Vergütung der Universitätsklinika sei „schon seit Jahren im Durchschnitt höher“ als in den angegebenen Vergleichstarifen, so Bamberg.

Irene Gölz, die Verhandlungsführerin bei Verdi, gibt Bamberg sogar in Teilen recht, will aber dennoch nicht von ihren Verhandlungszielen abrücken: „Acht Prozent, das ist nicht ohne, das wissen wir auch“, so Gölz: „Seit drei, vier Jahren spricht die ganze Republik über Pflegekräfte und ihren Verdienst. Nun sind sie so selbstbewusst zu sagen: Wir wollen das, was dem entspricht, was wir wert sind.“ Eine Ziel-Befragung unter Mitgliedern habe sogar noch höhere Forderungen erbracht.

Streik als letztes Mittel

Wie und wann ein Ergebnis kommen könnte, darüber will derzeit niemand offen spekulieren. Bamberg versichert, die Arbeitgeberseite setze alles daran, „die Entgeltrunde zügig zu einem für beide Seiten akzeptablen Abschluss zu bringen.“ Der Klinikums-Chef gesteht zu, dass in der Verhandlungsrunde die aktuelle Arbeitsmarktlage (etwa Fachkräftemangel) gewiss eine Rolle spielen werde. Gölz betont, es werde „mit Sicherheit nicht einfach – wir haben ja keine Minimalforderungen“. Streik sehe sie indes nur als letztes Mittel.

Die Auseinandersetzungen von 2016 und 2018 kamen recht reibungslos zu einem Abschluss. 2014 war von der Gewerkschaft eine Urabstimmung schon vorbereitet worden – dann aber gab es doch noch eine Einigung.

Wer streikt eigentlich an einer Uniklinik?

Betroffen von der aktuellen Auseinandersetzung sind nicht alle, sondern rund 7000 Beschäftigte des Tübinger Uniklinikums (und insgesamt rund 25000 bei allen assoziierten Kliniken). Sollte der Arbeitskampf eskalieren, sind lange nicht alle auch im Ausstand: Wie im Gesundheitssystem und anderen existenziell wichtigen Branchen üblich, haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der vergangenen Woche eine Notdienstvereinbarung getroffen. Die garantiert den notwendigen Klinikbetrieb auch bei einem Streik. Da das Personalreservoir an Kliniken üblicherweise sowieso nicht luxuriös ist, scheint der Unterschied zwischen Notdienstvereinbarung und Regelbetrieb eher marginal: „250 bis 500 Leute im Streik, das wäre das, was die Decke überhaupt zuließe“, sagt Benjamin Stein von Verdi Fils-Neckar-Alb. Ärzte und Wissenschaftler sind nicht betroffen, haben eigene Tarifverträge.