Landtagswahl

SWP-Leitartikel: Erneuerung tut not

In der Bewertung sind sich die Christdemokraten schnell einig: Das Ergebnis der Landtagswahl ist ein Desaster. Genauso rasch suchen führende Köpfe der Südwest-CDU nun ihr Heil im Weiterregieren.

16.03.2021

Von ROLAND MUSCHEL

Stuttgart. Für eine Fortsetzung der Koalition mit den Grünen gibt es durchaus gute Gründe: So ist die Mehrheit der Bürger mit dem Bündnis zufrieden, und für die Zumutungen, die die Politik in der Pandemie beschließen muss, ist ein breites parlamentarisches Rückgrat hilfreich. Nur vermittelt die Partei den Eindruck, es ginge ihr vor allem darum, an der Macht zu bleiben. Nicht allein, weil sie Opposition für Mist hält, sondern weil sie es sich schlicht nicht zutraut, ohne den Apparat der Ministerien im Rücken Staat zu machen.

Für die Deklassierung gibt es viele Gründe. Die Popularität des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann; Fehler der eigenen Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann; schließlich Berliner Gegenwind im Endspurt. Kretschmann wird 2026 nicht mehr antreten; Eisenmanns Karriere steuert bereits ihrem Ende entgegen; den nächsten Wahlkampf werden andere Themen als Corona dominieren. So gesehen könnte die CDU auf Zeit spielen. Tatsächlich liegen die Probleme tiefer und lösen sich nicht einfach auf, sobald Kretschmann aufhört.

Die Südwest-CDU war schon immer konservativer, ländlicher, auch näher an der Wirtschaft und ihren Verbänden als in anderen Teilen der Republik. Das war lange ihr Vorteil, nun ist es ihr Nachteil. Sie hat gesellschaftliche Entwicklungen zu lange negiert, und sie hat bis dato nicht die Stärke, aus der Zeit gefallene Zutaten des alten Erfolgsrezepts zu streichen.

Dazu zählt etwa das Landtagswahlrecht, das dazu führt, dass für die CDU nachteilige Strukturen zementiert werden: Ihre Abgeordnetenriege bleibt stark männerdominiert, Großstädte sind stark unterrepräsentiert. Die Parlamentarier repräsentieren damit die Parteibasis, aber nicht den Durchschnitt der Bevölkerung. Nachteilig ist auch die Distanzlosigkeit zu Lobbygruppen, die das Etikett Wirtschaft im Namen führen. Sie hat in der Pandemie dazu geführt, dass die CDU bei staatlichen Hilfen die Interessen einzelner Gruppen stärker im Fokus hatte als das große Ganze. Sie hat auch den Blick getrübt, wenn es um fragwürdige Geschäfte von Parteigängern mit dem Regime in Aserbaidschan ging. Die Südwest-CDU hat sich immer im Ruf gesonnt, die Partei zu sein, die Wirtschaft versteht. Nun hat sie eine Wahl krachend verloren, bei der die Bürger die Wirtschaft als Top-Thema genannt haben. Eine CDU, die eine Zukunft haben soll, muss nicht unbedingt regieren, aber sich dringend reformieren.

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