Mit Höhenangst über der Stadt

Erlebnisbericht: Im Drachenflugsimulator am Kranhaken mit Einstieg in der Mühlstraße

Noch am Boden überlege ich. Meine Höhenangst ruft Zweifel hervor. Gerade kommen fünf Leute wieder unten an. Sie grinsen, es scheint Spaß gemacht zu haben.

26.11.2016

Von Moritz Hagemann

Flug am Kranhaken über der Tübinger Altstadt
© Video: Metz & Schweizer 01:22 min
Air-Emotion: Christian Noll lässt mit seinem Drachenflugsimulator jeweils fünf Mutige am Kranhaken über der Tübinger Altstadt kreisen.

Ich frage den Betreiber Christian Noll: „Ist da schon einmal was passiert?“ Nein, natürlich nicht. Ich überlege weiter. Einsteigen oder kneifen? Rainer Kaltenmark vom Tübinger Ordnungsamt beobachtet die Szenerie. Er sei schon einmal mitgeflogen, sagt er. Als ich mir immer noch unsicher bin, kommt die Frau des Betreibers. Sie sagt, sie werde nun auch mitfliegen.

Alles klar, denke ich. Dann wird schon nichts passieren. Auch Kaltenmark fliegt nochmal mit. Fünf Personen können zusammen in die Luft, mit mehreren Gurten ist man gesichert. Die Beine sind von einem Gurt umschlungen, damit sie nicht in der Luft herumwirbeln. Wir werden nach oben gehievt. Es wackelt. Personen in der Mühlstraße zücken ihre Smartphones und machen Bilder. Wir winken ein bisschen, ein gequältes Lächeln gibt’s dazu. Meine Knie schlottern. Auch ein vielleicht zwölfjähriger Junge ist dabei. Da darf ich mir meine Angst nicht anmerken lassen. Auch wenn ich ein Angsthase bin, sobald es luftig wird.

Über die Baumkronen hinweg

Die ersten Dächer werden von oben sichtbar. Man hängt mit dem Gesicht zum Boden in der Luft. So würde man wohl auch unten aufkommen, wenn jetzt was kaputt gehen würde. Rainer Kaltenmark erklärt, dass er für die Genehmigung des „Air Emotion“ mitten in der Stadt kämpfen musste, dass es aber absolut sicher sei. Das lenkt ab. Oben angekommen wirbelt der ,Flieger‘ in der Luft umher, er muss auspendeln. Dann zieht der Kran nach rechts. Auf der Neckarbrücke winken Passanten – langsam beginnt es Spaß zu machen, da oben. Weiter geht’s über den Rand des Österbergs, nicht weit über die Baumwipfel hinweg. Ein Blick über die gesamte Weststadt, das Schloss, bis hinein ins Ammertal. Bloß nicht gerade nach unten blicken, denke ich. Dennoch lässt sich das Treiben in der Stadt wunderbar beobachten. Die Menschen unten sind klein, ich würde wohl nicht einmal meine Mutter von hier oben erkennen.

Fünf mutige Finninnen testeten den Drachenflugsimulator hoch über Tübingen. Bild: Gaus

Fünf mutige Finninnen testeten den Drachenflugsimulator hoch über Tübingen. Bild: Gaus

Die erste Runde ist vorbei. Noll bremst unten ab, wir fliegen kurz in die andere Richtung. Von oben zeigt Kaltenmark, dass er es besser fände, wenn „Air Emotion“ am oberen Rand der Neckarbrücke landen würde. Denn in der Mühlstraße ist es eng, viele Busse fahren dort, wo Menschen wegen des Ein- und Ausstiegs stehen bleiben und den Gehweg verengen.

Bestimmt ist eine Viertelstunde schon vorbei. Und wir fliegen noch. Nun aber der Landeanflug. Wir versuchen es an der Neckarbrücke, an der Abbiegung zur Gartenstraße – da ist der Flieger noch nicht gelandet. Kaltenmark und Noll wollen es probieren. Aber Ampel und Briefkasten kommen immer näher. Es ruckelt wieder. Irgendwann sind es nur noch wenige Meter bis zum Boden. Aber: zu eng, sagt Noll. Er würde doch lieber in der Ausbuchtung an der Mühlstraße landen. Also geht’s wieder hoch. Als würde man einfach in den Himmel gezogen. Muss das wirklich nochmal sein? Ich blicke rüber, der Zwölfjährige – ein breites Grinsen, volle Begeisterung. Na gut, dann packe ich das jetzt auch noch! Dann, die Landung, knapp vorbei an den Hauswänden, begleitet von vielen neugierigen Blicken. Und irgendwann wieder Boden unter den Füßen. Jetzt kann nichts mehr passieren. Geschafft! Und irgendwie auch froh, überhaupt eingestiegen zu sein. Für so einen Blick kann man die Höhenangst schon einmal überwinden. Und Respekt, Herr Kaltenmark. Denn gesehen ist gesehen. Ein zweites Mal würde ich dann doch nicht einsteigen.

Konstruktion ist TÜV-geprüft

Christian Noll, Betreiber von „Air Emotion“, ist seit 30 Jahren begeisterter Drachenflieger. Er hat den Simulator entwickelt, der an Baustellen mit Kran eingesetzt werden kann. Die Konstruktion ist vom TÜV abgenommen und eine weltweit gültige Haftpflichtversicherung vorhanden. Bis zu 60 Meter hoch kann „geflogen“ werden. Auch heute (etwa von 11 bis 18 Uhr) ist Noll mit „Air Emotion“ in der Stadt. Unklar ist noch, ob Ein- und Ausstieg in der Mühlstraße bleiben. Die Preise sind individuell vereinbar, die Regel sind 20 Euro für Erwachsene, Kinder dürfen billiger mit. Noll, der aus Dießen am bayrischen Ammersee kommt, würde gerne auch am Weihnachtsmarkt fliegen.

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Erstellt:
26.11.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 06sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2016, 01:00 Uhr

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