Volleyball-Bundesliga

Erholte Löwen

Seinen ersten Saisonsieg feiert der TV Rottenburg. 3:1 (25:18, 19:25, 25:23, 25:23) gewinnt er vor 1850 Zuschauern gegen die Bergischen Volleys.

04.12.2017

Von Tobias Zug

Im Sport braucht’s Helden. Heißt’s. Damit die Medien darüber berichten, damit die Zuschauer kommen und dadurch auch Sponsoren. Der TV Rottenburg hatte am Samstag mindestens zwei in einem Spiel, dem recht große Bedeutung zukam, weil beide Teams vorher noch sieglos waren: Als da wären Kapitän Idner Martins, der sich fast schon humpelnd durchs Spiel quälte. Und der 18-jährige Tim Grozer, der den Solingern die Bälle aufs Feld drosch wie seine dafür berühmten Familienmitglieder. Doch der Reihe nach…

Air Grozer: Der Rottenburger Außenangreifer mit Vornamen Tim überragt beim ersten Saisonsieg. Bild: Ulmer

Air Grozer: Der Rottenburger Außenangreifer mit Vornamen Tim überragt beim ersten Saisonsieg. Bild: Ulmer

Der 1. Satz

War lange geprägt davon, dass keiner sein Aufschlagspiel durchbrachte. Bei den Bergischen Volleys spielte überraschend der 32-jährige ehemalige TVR-Spieler Oliver Gies Libero, der eigentlich nur noch Co-Trainer ist. Der etwas korpulentere Gies machte seine Sache gut. Als Rottenburgs Mittelblocker Friederich Nagel und Lars Wilmsen hintereinander punkteten, erspielte sich erstmals ein Team eine 2-Punkte-Führung. Danach lief es beim TVR. Vor allem die Aufschläge von Nagel machte den Volleys gehörig zu schaffen, dem Brasilianer Iurgen Hummes Specht entglitt der Ball dabei zwei Mal bei der Annahme. „Besser wie wir im ersten Satz kann man nicht Volleyball spielen“, behauptete TVR-Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger.

Der 2. Satz

Da staunte der Laie und wunderte sich der Experte vielleicht, denn dem souveränen Auftritt des TVR zuvor folgte eine recht chaotische Vorstellung. Das Blockspiel schien gegen Mitte des Satzes eingestellt worden zu sein. Setzte Zuspieler Federico Cipollone noch oft die schnelle Mitte über die Blocker ein, segelten die Bälle diesmal oft vogelwild in den Rücken der Außen oder Diagonalspieler. Die Volleys aus Solingen dagegen spulten wie zuvor ihr Programm ab: recht saubere Annahme, ab durch die Mitte – Punkt. Müller-Angstenberger wechselte beim 13:21 die Zuspieler, brachte Philipp Jankowski. Zuvor, beim Stand von 7:12, nahm er sogar den Kapitän und Leitwolf Martins vom Feld. Johannes Schief kam für ihn. Brachte aber nichts, der Satz ging klar an die Solinger.

Der 3. Satz

Mit 11:15 lag der TVR in Rückstand. Müller-Angstenberger nahm eine Auszeit. Und fortan kämpfte sich der TVR zurück. Sogar Libero Johannes Elsäßer punktete mit einer Abwehr. Tim Grozer hatte sich warmgeschlagen, setzte dank starker Zuspiele von Jankowski die Angriffsbälle teils in Winkeln von vielleicht 20 Grad ins Bergische Feld. „Wir haben Kampfgeist und Wille gezeigt, dazu kam die Unterstützung der Zuschauer“, sagte Jankowski. Nach dem 23:23 punktete Grozer. Ein Angriffsfehler der Volleys sorgte für Jubel beim TVR.

Der 4. Satz

War wieder spannend. Rottenburg lag 17:14 vorne, Solingen glich zum 17:17 aus. Auszeit TV Rottenburg. 21:19 für Rottenburg, Auszeit Bergische Volleys. Beim 24:22 hat Rottenburg Matchball. Volleys-Trainer Johan Isacsson nimmt die zweite Auszeit. Hummes Specht macht den Punkt für die Volleys. 24:23. Auf der Tribüne fasst sich TVR-Geschäftsführer Philipp Vollmer an den Kopf. Dann schlägt Solingens Nicolas Borgeaud auf – ins Aus. Und auf dem Feld entsteht ein rotes Knäuel aus jubelnden und sich umarmenden Menschen.

Der Kämpfer

Idner Martins machte kein gutes Spiel. Beim letzten Angriff im 3. Satz verletzte er sich sogar noch, als er beim Aufprall umknickte. Doch der 38-Jährige wollte unbedingt weiterspielen. „Wie sagte schon Zlatan Ibrahimovic: Löwen erholen sich anders als Menschen“, sagte Martins schmunzelnd, „ich habe gespielt, weil ich spielen musste.“ Müller-Angstenberger sagte: „Das zeugt von großem Charakter.“ Mannschaftsarzt Maik Schwitalle wird jetzt allerdings untersuchen, ob die Verletzung was Langwierigeres ist. Vermutlich haben die Faszien am Fuß etwas abbekommen. „Das fühlte sich an wie ein Schnitt“, sagte Martins.

Der Topscorer

16 Punkte erzielte Tim Grozer, der ab dem 2. Satz kaum mehr zu halten war. Der 18-Jährige blühte wohl auch auf, weil mehr erfahrene Spieler als sonst auf der Platte standen: Der 30-jährige Diagonalspieler Ferenc Németh spielte erstmals in dieser Saison durch. „Weil er erstmals sehr gut trainierte“, erläuterte Müller-Angstenberger, „davor war er ein Schatten seiner selbst, weil er immer seine Verletzung im Kopf hatte und den Schalter nicht umlegen konnte.“

Im fünften Jahr noch Gänsehaut

Ein starkes Comeback feierte beim TV Rottenburg Friederich Nagel. Vor der Saison hatte sich Nagel einen Bänderriss zugezogen, in den vergangenen Spielen kam er kurz zu Aufschlägen ins Spiel. Gegen die Bergischen Volleys setzte Müller-Angstenberger ihn erstmals von Beginn an ein, „obwohl er im Training noch hinter Paul Henning war“, wie der Trainer sagte. Doch er setzte auf die Routine und vor allem auf die Motivationskünste und Emotionen Nagels. Der rechtfertigte das Vertrauen mit einer guten Leistung, punktete sogar 11 Mal. „Obwohl ich im fünften Jahr hier schon spiele, bekomme ich immer noch Gänsehaut bei der Stimmung hier in der Halle“, sagte ein euphorisierter Nagel nach dem Spiel, „wir sind zwar nicht Frankfurt oder Berlin, aber ich spiele unheimlich gerne für diese Mannschaft und diesen Verein.“