Tübingen

Erbärmlich

Tübingens OB Boris Palmer spricht sich dafür aus, Asylbewerber, die auffällig geworden sind, in „sicheren Landeseinrichtungen“ unterzubringen („Auffällige Asylbewerber nach Tübingen?“, 31. Oktober, sowie „Populistische Stimmungsmache“, 2. November).

06.11.2018

Von Matthias Schuh, Tübingen

Boris Palmer sollte erstmal seine verwaltungs-, verfassungs- und strafrechtlichen Hausaufgaben machen und auf den Boden
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zurückkehren.

In Deutschland sind (zum Glück!) die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 GG). Über Freiheitsentziehungen haben ausschließlich Richter und Gerichte zu entscheiden (Art. 104 GG), und (dito: zum Glück!) nicht jeder dahergelaufene Kleinstadtbürgermeister.

Auf einem ,statistischen‘ Verdacht basierend Menschen längerfristig wegsperren zu lassen, die vielleicht irgendwann in der Zukunft mal eine Straftat begehen könnten (oder auch nicht), diese aber noch nicht erwiesenermaßen begangen haben, ist in einem Rechtsstaat schlicht nicht akzeptabel.

Dass für Empfänger/innen
von Transferleistungen andere Grundrechte gelten sollten als für Menschen, die nicht auf staatliche Hilfen angewiesen sind, offenbart ein ebenso erbärmliches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Gilt das Kriterium dann auch für ,biodeutsche‘ Hartz-IV-Empfänger, oder nur für Migranten? OB-acht: Rassismus-Fettnapf.

Und ganz nebenbei: nach §12a AufenthG darf eine Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete ausschließlich zur „Förderung der nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland“ verhängt werden. Wie der EuGH 2016 ausführlich begründet hat, wäre eine derartige Auflage mit jeder anderen Begründung ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.