Nachruf

Er verband Theorie und Praxis

Prof. Ruthard Jacob, Physiologe und interdisziplinärer Forscher, starb mit 93 Jahren.

11.05.2018

Von Eberhard L. Betz, emeritierter Physiolog

Ende März verstarb in Rottenburg-Oberndorf im 93. Lebensjahr der Physiologe Prof. Ruthard Jacob, langjähriger Inhaber des Lehrstuhls 2 des Tübinger Instituts für Physiologie.

Ruthard Jacob wurde in Tauberbischhofsheim als Sohn eines praktischen Arztes geboren, war also von Kindesbeinen an mit Problemen der Medizin vertraut. Wie fast alle Buben seines Alters wurde er im Krieg Soldat. Bei Kriegsende hielt er sich in der Tschechoslowakei auf. In einer abenteuerlichen Flucht gelang es ihm, seine Heimat wieder zu erreichen.

Wie die meisten seiner Altersgenossen musste er in einem Nachkriegs-Abiturkurs die Reifeprüfung bestehen, um studieren zu können. Er bestand sie und es gelang ihm, einen Studienplatz für Medizin an der Universität Würzburg zu erhalten. Nach dem Physikum wechselte er an die Universität Heidelberg, bestand alle Examina und wurde Arzt. Nach seiner Promotion gelang es ihm, eine Stelle am Physiologischen Institut Würzburg zu erhalten. Damals war dieses Institut eines der führenden auf dem Gebiet der experimentellen Kardiologie. Jacob habilitierte mit einer Arbeit in der Kardiologie.

Nach kurzen Gastdozenturen an den Universitäten Freiburg und Gießen nahm er eine Stelle als Leiter der Abteilung für Herz- und Kreislaufforschung der Universität Tübingen an, verließ aber bald diese Stelle und ging an die Physiologie der amerikanischen Universität Charlottesville, kehrte aber nach etwa einem Jahr 1970 nach Tübingen als außerordentlicher Professor und Leiter einer Abteilung für Herz- und Kreislaufforschung zurück. Diese Abteilung wurde nach gut einem Jahr in einen zweiten Lehrstuhl für Physiologie umgewandelt und Jacob wurde Lehrstuhlinhaber. Im Laufe der folgenden Jahre wechselten sich in ein- oder zweijährigem Abstand die beiden Lehrstuhlinhaber in der Geschäftsführung des Instituts ab. Jacob wurde 1976/1977 Dekan der Fakultät Theoretische Medizin. 1993 wurde er emeritiert.

Seine Bibliographie umfasst neben rund 200 Einzelpublikationen Beiträge zu mehreren internationalen Standardwerken und zwei Handbuchbeiträge. Viele Jahre war er Mitherausgeber der Zeitschrift „Basic Research in Cardiology“. Seine Arbeit wurde durch zahlreiche Ehrungen gewürdigt (Fraenkel-Preis; Sebastian Kneipp-Preis, einige Internationale Medaillen und Ehrenmitgliedschaften ausländischer Institute).

Sein Hauptverdienst war die Verzahnung der Herzphysiologie mit der klinischen Kardiologie und anderen Wissenschaftszweigen. Interdisziplinäre Forschung und Lehre waren Schwerpunkte seiner Tätigkeit. So nimmt es nicht wunder, dass er zwei Bücher zu Fragen der diätetischen und phytotherapeutischen Protektion von Herzkrankheiten verfasste.

In der Zeit nach seiner Emeritierung wandte er sich der Medizingeschichte zu und veröffentlichte Arbeiten zur Geschichte der Herz- und Kreislaufphysiologie. Die deutsche Medizin verliert mit Ruthard Jacob einen Arzt und Forscher der, wie heute selten, Theorie und Praxis in der Herz- und Kreiskaufmedizin in Forschung und Lehre miteinander verband.

Eberhard L. Betz,
emeritierter Physiologe
und Internist