Lyrik

Er dachte stets auch mit dem Herzen

Zu Lebzeiten gilt Erich Fried als politischer Kopf. Berühmt wird er aber mit Liebesgedichten. Er wäre jetzt 100 Jahre alt.

06.05.2021

Von EPD

Frankfurt/Main. „Wen politische Ereignisse geschädigt haben, der wird politisch hellhörig, vielleicht sogar überempfindlich“: Der Dichter Erich Fried war politisch hellhörig, vielleicht sogar überempfindlich, wie er es selbst beschrieben hat. Vor 100 Jahren, am 6. Mai 1921, wird er in Wien geboren. Ein Ereignis, das ihn sein Leben lang prägt, ist der Mord an seinem Vater 1938. Dieser wird als Jude nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland von der Gestapo zu Tode geprügelt.

Daraufhin flieht der 17-jährige Erich Fried nach England, wird dort Mitglied zweier kommunistisch geprägter Flüchtlingsverbände. 1943 zeigen sich die Differenzen zwischen der Parteilinie und dem unabhängigen Geist Frieds immer deutlicher: Er sträubt sich gegen den bornierten Dogmatismus im Zeichen des „unfehlbaren und allwissenden Stalin“ und tritt aus dem Kommunistischen Jugendverband aus.

Die Freiheit, sich jedem eng geführten ideologischen Denken zu widersetzen, bleibt zeitlebens charakteristisch für den Intellektuellen Erich Fried. Immer ist seine politische Haltung untrennbar verbunden mit einer tiefen Menschenliebe.

Der scharfsinnige Wortwitz, die aphoristische Pointe kennzeichnen seine Poesie. Und es ist gerade die Menschenliebe, die kompromisslose Parteinahme für die Opfer von Gewalt, die Unterdrückten, die seine Texte oft hart erscheinen lässt. 1966 kommt der Gedichtband „und Vietnam und“ heraus. Lakonisch aufgezählte Gräuel werden zu bitteren Anklagen gegen den Krieg in Südostasien. Immer wieder mischt er sich ein, erregt Anstoß.

Solidarität mit Studenten

Mit steigender Bekanntheit kommt es auch zu Anfeindungen: Seine Texte seien keine Lyrik, sondern Propaganda, erklären Konservative. Vielen stößt besonders Erich Frieds aktive Solidarität mit den protestierenden Studenten um 1968 sauer auf. Er wirkt am Berliner „Vietnam-Kongress“ und an der anschließenden Demonstration mit. Seinen Wohnsitz in London aber behält er zeitlebens bei. In den letzten Jahren vor seinem Tod am 22. November 1988 in Baden-Baden wächst die Anerkennung, es gibt Lesungen vor großem Publikum, zahlreiche Auszeichnungen.

Der politische Autor Erich Fried, der mit scharfem Intellekt für gerechtere Verhältnisse kämpfte, war ein Lyriker, der stets auch mit dem Herzen dachte. Seine „Liebesgedichte“ aus dem Jahr 1979 wurden zu seinem größten Erfolg. Und sein bekanntestes Gedicht, „Was es ist“ (1983), feiert die Liebe, unbegreiflich und unvernünftig, in schlichter Vollendung. Andreas Duderstedt