Energie

Endspiel um Nord Stream 2

Kurz bevor die Pipeline weitergebaut wird, einigt sich der US-Kongress auf neue Sanktionen. Schwerin hat sich einen Trick ausgedacht, diese zu umgehen.

05.12.2020

Von IGOR STEINLE

Berlin. Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass der Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zum Erliegen kam. Den Betreibern der schweizerischen Verlegeschiffe, die die Röhren auf den Ostseegrund absenkten, war die Gefahr zu groß, ins Fadenkreuz der US-Behörden zu gelangen. Der Kongress hatte kurz zuvor das „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ verabschiedet, mit dem am Pipelinebau beteiligte Unternehmen massiven Sanktionen ausgesetzt wurden.

Diesen Samstag könnte der Bau nun weitergehen. Wann genau ist unklar. Auf Anfrage verweist Nord Stream auf die „Bekanntmachungen für Seefahrer“ des Schifffahrtsamts Ostsee, in denen Bauarbeiten vom 5. bis zum 31. Dezember angekündigt werden. Die russischen Verlegeschiffe „Akedemik Tscherski“ und „Fortuna“ wurden für die Aufgabe eigens umgerüstet und sollen die Pipeline nun fertigstellen.

Trödeln darf die Besatzung dabei nicht – der Röhrenbau ist zu einem Spiel gegen die Zeit geworden. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob Nord Stream zum fast zehn Milliarden Euro schweren Investitionsgrab in der Ostsee wird, oder es der Betreibergesellschaft doch noch gelingt, die verbliebenen 6 Prozent der 1200 Kilometer langen Erdgasleitung fertigzustellen.

Denn der Kongress arbeitet erneut an einem Gesetz, mit dem die angedrohten Strafmaßnahmen gegen die Unternehmen noch einmal ausgeweitet werden sollen. In der Nacht zum Freitag einigten sich Demokraten und Republikaner darauf, Unternehmen, die die Verlegearbeiten auch nur entfernt unterstützen, mit Strafen zu belegen. Dabei kann es sich etwa um das Ausheben von Gräben für die Pipeline handeln, oder auch das Versichern der Schiffe. Selbst deutschen Häfen, die ihre Anlagen zur Verfügung stellen, drohen Sanktionen.

Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, reagierte empört: „Rein europäische Projekte wie Nord Stream 2 sind nicht von US-Stellen zu regulieren, sondern ausschließlich von den beteiligten europäischen Ländern und der EU.“ Neu in dem US-Entwurf ist jedoch, dass vor Strafaktionen gegen europäische Unternehmen die Regierungen angehört werden sollen. Sanktionen gegen europäische Partnerstaaten und deren Behörden beziehungsweise Körperschaften werden sogar komplett ausgeschlossen. Damit ist zuvor noch unverhohlen gedroht worden.

An dieser Stelle werden Pläne des Landes Mecklenburg-Vorpommern interessant, über die diese Woche der NDR und die Ostsee-Zeitung berichtet hatten. Demnach bereitet sich die Landesregierung in Schwerin offenbar darauf vor, eine Stiftung mit dem Namen „Klimaschutz MV“ zu gründen, unter deren Dach am Pipelinebau beteiligte Unternehmen das Projekt fertigstellen sollen. So könnten mögliche Sanktionen umgangen werden.

Sowohl die Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als auch die Betreiber von Nord Stream 2 verweigern dazu jeglichen Kommentar. Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gab jedoch auf Anfrage bekannt, „Kenntnis von den Überlegungen Mecklenburg-Vorpommerns“ zu haben. Eine informierte Quelle innerhalb der SPD bestätigte die Pläne ebenfalls. Stiftungschef soll der ehemalige Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) werden, der als Vorkämpfer der deutsch-russischen Beziehungen gilt.

Den Berichten zufolge sei sogar schon geplant gewesen, die Stiftung vergangene Woche dem Landtag zur Abstimmung vorzulegen, was aber verworfen wurde, da der Plan in der Bundesregierung umstritten sei. Es gebe Bedenken, ein einzelnes Bundesland könne damit einen Handelskrieg mit den USA auslösen.

Timon Gremmels, Berichterstatter der SPD-Fraktion in Sachen Nord Stream, begrüßt die Pläne: „Ich halte das für eine interessante Überlegung. Man sollte alle rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, mit denen die Pipeline fertiggestellt werden kann“, sagte der Bundestagsabgeordnete dieser Zeitung. Angesichts der investierten Milliarden hält er es für „unvorstellbar, dass am Ende ein nutzloser Pipeline-Stummel in der Ostsee herumliegt“.

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Erstellt:
05.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 05.12.2020, 06:00 Uhr

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