Maschinenbau

Elektrisch durchstarten

Der Reutlinger Spezialmaschinenhersteller Wafios sieht in der E-Mobilität großes Potenzial für seine Geschäfte und investiert kräftig in neue Technologien: Für 10 Millionen Euro baut der Weltmarktführer für Drahtbiegemaschinen einen Zukunftscampus beim Südbahnhof.

18.03.2022

Von Thomas de Marco|FOTOS: Horst Haas, Unternehmen

Hier soll der E-Mobility-Campus von Wafios entstehen: das Südwerk des Unternehmens, im Hintergrund der Georgenberg.

Hier soll der E-Mobility-Campus von Wafios entstehen: das Südwerk des Unternehmens, im Hintergrund der Georgenberg.

Uwe-Peter Weigmann ist seit 2008 als einer von zwei Geschäftsführerin beim Reutlinger Spezialmaschinenhersteller Wafios – die größte Entscheidung in dieser Zeit, sowie eine der bedeutendsten in der Geschichte des Unternehmens überhaupt, haben er und Martin Holder im Oktober vergangenen Jahres gemeinsam mit dem Aufsichtsrat getroffen: Gut 10 Millionen Euro investiert Wafios in einen E-Mobility-Campus. „In diesem neuen Geschäftsfeld sehen wir große Chancen und sehnen den Tag herbei, an dem wir den Campus eröffnen“, sagt Weigmann. Im Oktober dieses Jahres soll es so weit sein.

Vor fünf Jahren ist die Firma Wafios, die vor allem Maschinen für das Drahtbiegen produziert, in die Grundlagenentwicklung für die E-Mobilität eingestiegen. „Wir haben jetzt schon fertige Maschinen, für die wir dringend Platz brauchen“, erklärt der Vorstandssprecher. Den schafft Wafios nun in seinem Werk II beim Südbahnhof: Dieses 1927 von der Firma Südwerk übernommene Gebäude wird grundlegend renoviert und zum Hightech-Zentrum der Elektromobilität umgebaut.

Im ersten Bauabschnitt sollen Büroflächen für 20 Arbeitsplätze mit Besprechungsräumen sowie ein Messeraum mit etwa 300 Quadratmetern entstehen. In der Gründerhalle wird eine Musterproduktion auf einer Nutzfläche von etwa 575 Quadratmetern eingerichtet, in einer weiteren Halle soll auf etwa 800 Quadratmetern Platz für Kundenmaschinen geschaffen werden. In einem möglichen zweiten Bauabschnitt könnten auf Reserveflächen weitere Büroräume auf einer Galerie mit 100 bis 150 Quadratmetern entstehen. Außerdem ist an den Einbau einer Kantine gedacht.

Investieren in die Zukunft: die beiden Wafios-Chefs Uwe-Peter Weigmann (links) und Martin Holder vor dem neuen Speedformer für Hairpins.

Investieren in die Zukunft: die beiden Wafios-Chefs Uwe-Peter Weigmann (links) und Martin Holder vor dem neuen Speedformer für Hairpins.

Auf dem Zukunftscampus sollen rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt werden – mit steigender Tendenz. Einen Teil von ihnen hat Wafios in den vergangenen beiden Jahren eingestellt. Zudem arbeitet das Unternehmen seit Jahren eng mit technischen Hochschulen zusammen, auch in Reutlingen, und vergibt regelmäßig Studienarbeiten und Praktikantenstellen.

„Wir kommen vom klassischen Drahtbiegen und waren da schon innovativ unterwegs“, sagt Weigmann. Nun aber sehe Wafios im neuen Geschäftsfeld E-Mobilität große Chancen. „Das bietet für uns großes Potenzial – und zwar nicht nur im Batterie-elektrischen Bereich der Autoindustrie. Auch schwerere Fahrzeuge wie Lastwagen oder Busse oder auch Flugzeuge, die mit Brennstoffzellen angetrieben werden, brauchen einen Elektromotor“, erklärt der Geschäftsführer, der selbst seit zwei Jahren ein Elektroauto fährt. Auch die Fahrzeugflotte des Unternehmens wird mehr und mehr auf E-Mobilität umgestellt.

Strategisch wichtig für Wafios ist die Kooperation mit einem weiteren mittelständischen Maschinenbauer, der Firma Gehring in Ostfildern. Diese baut die Gehäuse für Elektromotoren. Die Hairpins, die mit Wafios-Maschinen gebogen und dann im Gehäuse um den Motor herum zusammengesteckt werden, würden nur ein Drittel der Wertschöpfung eines Elektromotors ergeben, erklärt Weigmann. Mit Gehring kann der Reutlinger Maschinenbauer nun seit fast einem Jahr das Komplettpaket für den Stator des E-Motors anbieten. „Damit sind wir sehr gut unterwegs mit unseren Kunden, denen die Hairpins alleine im Angebot nicht genügt haben – so gut sie auch sein mögen“, sagt der 56-jährige Geschäftsführer. „Es reicht nicht, der beste Hairpin-Bieger zu sein.“ Die Resonanz der Kundschaft in der Automobilindustrie sei jedenfalls sehr gut.

Der Stator eines E-Motors mit den Hairpins, die zu einem Kranz im Kunststoffgehäuse zusammengesteckt werden.

Der Stator eines E-Motors mit den Hairpins, die zu einem Kranz im Kunststoffgehäuse zusammengesteckt werden.

Man müsse in so einem neuen Geschäftsfeld nicht immer der erste sein. „Es ist besser, genau zu schauen, was die richtige Konstellation ist. Aber jetzt werden die Weichen in engem Kontakt mit der Autoindustrie gestellt – und da sind wir mit unserem neuen Campus gut dabei.“

Eine Schrecksekunde mussten die Verantwortlichen verdauen, als vor kurzem bekanntgegeben wurde, dass die Förderung für Energie-effiziente Baumaßnahmen gestoppt wird. Das betrifft auch die Finanzierung des E-Mobility-Campus von Wafios, mit 10 Millionen Euro eine durchaus hohe Investition für das Unternehmen, das die modernsten Kriterien für das Projekt vorsieht. „Aber es betrifft wahrscheinlich nicht alle Fördertöpfe. Wir sind da optimistisch. Außerdem machen wir den Campus auf alle Fälle“, sagt Weigmann.

Denn die E-Mobilität soll künftig zu einem weiteren wichtigen Standbein des Unternehmens werden. Gut 20 Prozent des Umsatzes will Wafios in fünf Jahren mit diesem Bereich machen, so das Ziel. „Deshalb haben wir die Entscheidung für den Zukunftscampus noch keine Sekunde bereut. Das neue Geschäftsfeld erfordert nun mal hohe Investitionen“, betont der Vorstandssprecher. Und immer wieder, sagt Weigmann, erlebe Wafios bei Bewerbungsgesprächen, dass es viele junge Leute cool fänden, dass das Unternehmen auf die neue Technologie setze.

VDMA: Sprachrohr des Maschinenbaus

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) ist mit rund 3300 Mitgliedern Europas größter Industrieverband mit Hauptsitz in Frankfurt am Main. Mit 38 Fachverbänden deckt er die gesamte Wertschöpfungskette der Investitionsgüterindustrie ab und ist Interessensvertreter, Dienstleister und Ansprechpartner für überwiegend mittelständisch geprägte Unternehmen. Als Wirtschaftsverband setzt sich der VDMA national wie international für seine Mitglieder ein. Er vertritt die Interessen des Maschinenbaus und fühlt sich dem gesamtwirtschaftlichen Fortschritt in Europa verpflichtet.