Ofterdingen

Einseitigkeit

Die Jury für das „Unwort des Jahres“ hat Boris Palmer für seinen Sprachgebrauch kritisiert. Sie hat „Menschenrechtsfundamentalismus“ zum zweiten „Unwort“ nach „Anti-Abschiebe-Industrie“ des CSU-Politikers Alexander Dobrindt gekürt („Jury kritisiert Palmers Sprache“, 16. Januar).

17.01.2019

Von Bernhard Meyer, Ofterdingen

Seit 2014 das Wort „Putinversteher“ von etwa 75 Prozent eingereicht, aber trotzdem nicht zum „Unwort des Jahres“ gewählt wurde, habe ich das Interesse an der Unwort-Veranstaltung verloren. Jetzt aber kann man sich trefflich über „Menschenrechtsfundamentalist“ streiten; mir ist es in der Form „Völkerrechtsfundamentalismus“ auch schon an den Kopf geschmissen worden. Und ich regte mich damals fürchterlich auf. Wie kann man nur das Recht relativieren! Sollen Rechte etwa nur dort gelten, wo es mir gerade passt?

Ich vermute jedoch, dass Palmer mit der verunglückten Formulierung etwas anderes zum Ausdruck bringen wollte, nämlich die Sache mit dem Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen. Er wird bemerkt haben, dass „Menschenrechte“ ebenso wie „Völkerrechte“ vehement und missionarisch einseitig eingefordert werden, in anderen durchaus vergleichbaren Fällen aber herrscht Schweigen: Krim - Kosovo zum Beispiel oder Menschenrechte in Russland, aber Stille in Bezug auf die Ermordung mittels Drohnen von Tausenden Menschen, die man ohne Gerichtsverfahren einfach als „Terroristen“ bezeichnet hat oder das Schweigen über die gnadenlosen Menschenrechtsverletzungen, die der Westen im Jemen und anderswo anrichtet oder die man hier den Niedriglöhnern mit dauernd befristeten Jobs antut usw.

Einseitigkeit im Gebrauch der Begriffe höhlt sie aus, sie werden unglaubwürdig und zur leeren Waffe im Meinungskampf.

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Erstellt:
17.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 39sec
zuletzt aktualisiert: 17.01.2019, 01:00 Uhr

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