Bildung

Einmal mit Profis arbeiten

Was passiert, wenn Unternehmensberater Schulen bei der Digitalisierung helfen? Die Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg profitiert vom Einsatz der „Porsche Consulting“.

19.06.2021

Von AXEL HABERMEHL

Im Hybrid-Klassenzimmer persönlich und an der Tafel anwesend: der Lehrer Nicolai Winter und sein Geschichts-Kurs. Foto: Axel Habermehl

Im Hybrid-Klassenzimmer persönlich und an der Tafel anwesend: der Lehrer Nicolai Winter und sein Geschichts-Kurs. Foto: Axel Habermehl

Ludwigsburg. Am meisten beeindruckt hat mich das Tempo dieser Leute“, sagt Kai Rosum-Kunzelmann. „Wir hatten uns auf das Programm beworben, wenig später bekamen wir dann Bescheid, dass wir dabei sind, und drei Tage später hatte ich schon eine Mail mit der Einladung für eine erste Video-Konferenz.“

Rosum-Kunzelmann verströmt die Gelassenheit des Zwei-Meter-Mannes, der eine Schule mit 1500 Schülern und 125 Lehrkräften leitet. Der Direktor der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg steht an einem heißen Juni-Nachmittag in der Aula und erzählt vom Programm „Digitalturbo“ der Unternehmensberatung „Porsche Consulting“, an dem die berufliche Schule teilgenommen hat. „Das war ein ganz glückliches Zusammentreffen.“

Die Digitalisierung von Schulen rückt immer mehr in den Focus der Öffentlichkeit. Dass der Nachholbedarf gegenüber Wirtschaft und Gesamtgesellschaft gewaltig ist, war seit Jahren klar. Doch die Pandemie erzeugte neue Dringlichkeit.

Die Lage ist mau. Zwar gibt es Leuchtturmschulen, aber flächendeckend fehlt es an Strategien, Wissen, Zeit und Technik in Milliardenwert.

„In Summe ist die Digititalisierung von Schulen in Deutschland mangelhaft“, sagt Marc Ziegler von „Porsche Consulting“. Es mangele an langfristigen Visionen und IT-Kompetenzen von Mitarbeitern; fast nirgends finde man ganzheitliche, funktionierende Software, es fehlen Hardware und vor allem Geld.

Das Ergebnis: „Unterricht findet nach wie vor an der Kreidetafel statt“, sagt Ziegler. „Der fließende Einsatz digitaler Medien im Schulalltag bleibt in den meisten Fällen die Ausnahme.“

Eigentlich beraten er und seine Kollegen für hohe Tagessätze („Gehen Sie mal von rund 2400 Euro aus.“) Unternehmen, die ihre Prozesse verbessern wollen. Doch „pro bono“ (lateinisch: Pro bono publico – zum Wohle der Öffentlichkeit) bieten sie Gratis-Dienste an. Beim „Digitalturbo“ haben Berater 15 Schulen analysiert, dann gemeinsam mit ihnen Pläne erarbeitet und, mit Geld der Ferry-Porsche-Stiftung, Verbesserungen angestoßen.

Der halbe Kurs ist online dabei

Ein Ergebnis ist eine Treppe höher zu besichtigen. In Raum 2201 steht der Geschichtslehrer Nicolai Winter vor einer zwölften Klasse. Zehn junge Frauen – der halbe Kurs. Der Rest ist per Videokonferenz dabei und in Kachelansicht an die Tafel projiziert, neben Fotos von Aristide Briand und Gustav Stresemann.

„Bitte mal beschreiben“, sagt Winter hinter seiner FFP2-Maske, halb zur Klasse, halb Richtung Kamera, die auf einem Stativ steht. „Sehe ich auch zuhause Meldungen?“

Nach kurzer Einleitung teilt Winter die Klasse in Gruppen, die selbstständig weiter die Außenpolitik der Weimarer Republik analysieren sollen. Ergebnisse tragen sie in ein Dokument in der Schulcloud ein, auf das alle über Laptops und Tablets Zugriff haben.

Die Cloud gehört zu der IT-Struktur, die bereits „vor Porsche“ vorhanden war. „Wir waren schon auf dem Weg“, sagt Rosum-Kunzelmann. Die Pandemie und das Projekt hätten alles beschleunigt.

Der mit hochwertiger Technik für Hybrid- und Fernunterricht gerüstete Raum ist nun ein Flaggschiff der digitalen Transformation und wird es bleiben. Alle Räume so auszustatten sei unnötig – und zu teuer.

Schulen haben begrenzte Investitionsspielräume. Bereits jetzt wenden Kommunen und Kreise als Träger viel Geld für Ausstattung auf. Mit neuer Technik, die beschafft, administriert, gewartet, erneuert werden muss, wird es teurer.

Die Planck-Schule trägt der Landkreis Ludwigsburg. „Die Digitalisierung ist eine Mammutaufgabe“, sagt Judith Woerner vom Landratsamt. Derzeit liefen viele Förderprogramme von Bund und Land, es gebe durchaus Geld. Aber das müsse sinnvoll genutzt werden – und langfristig fließen.

Nächstes Projekt: Lehrerzimmer

Das Porsche-Projekt sei hilfreich gewesen, sagt Woerner, der professionelle Input von außen gewinnbringend, auch für die Verwaltung. Im Ergebnis habe man etwa den Medienentwicklungsplan der Schule geändert, mit dem Geld des Förderprogramms „Digitalpakt“ beantragt wird.

Einig sind sich an diesem Nachmittag alle, dass man nicht am Ziel ist. Es gibt Pläne bis 2025, immer wieder müsse man die hinterfragen. Schulleiter Rosum-Kunzelmann hat so viel Gefallen am Projekt gefunden, dass er es am liebsten übertragen würde. Derzeit plane man die Neueinrichtung des Lehrerzimmers. Das sei komplex, der Job ändere sich, die Anforderungen an Arbeitsplätze auch. „Da würde ich mir auch externe Beratung wünschen.“

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Erstellt:
19.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 19.06.2021, 06:00 Uhr

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