Komödie

Einmal Freiheit, bitte!

„À la carte!“ erzählt die (fiktive) Entstehung des ersten Restaurants kurz vor der Französischen Revolution – und bietet kultivierte Unterhaltung.

25.11.2021

Von Marius Nobach/kna

Meisterkoch mit Temperament: Manceron (Grégory Gadebois, l.) in einer Szene aus „À la Carte!“  Foto: Neue Visionen Filmverleih/dpa

Meisterkoch mit Temperament: Manceron (Grégory Gadebois, l.) in einer Szene aus „À la Carte!“ Foto: Neue Visionen Filmverleih/dpa

Bonn. Zimt?!“ Eigentlich ist Manceron (Grégory Gadebois) ein Koch von eher ruhigem Gemüt. Wenn er an zeitaufwendigen Gerichten arbeitet, kann er den Trubel in der Küche gut ausblenden. Doch der schwergewichtige Mann hat auch Temperament: Ein Küchenjunge bekommt das zu spüren, als er das Fleisch mit einem exotischen Gewürz bestreut und damit jeden Geschmack erstickt.

Nach dem Essen an die Tafel seines Herrn, des Herzogs von Chamfort (Benjamin Lavernhe), gerufen, erwartet Manceron eine Ansammlung von Prachtexemplaren der privilegierten Klasse des absolutistischen Frankreich, deren liebster Zeitvertreib im Austausch von Bonmots besteht. So fliegen auch zu Beginn der Filmkomödie „A la Carte!“ die gewitzten Sprüche hin und her, bis ein Tischgast Mancerons ganzen Stolz, ein eigens kreiertes Dessert, dem Gespött preisgibt. Der Herzog fordert eine Entschuldigung vom Koch, der aber stolz schweigt – und damit prompt seine Stelle verliert und in seine Heimat zurückkehren muss.

Die Zeit vor der Französischen Revolution bietet mit ihrer schwelgerischen Dekadenz eine dankbare Film-Vorlage. Regisseur Eric Besnard weicht in seiner Komödie allerdings schnell von der Richtung ab, die Vorbilder wie „Vatel“ eingeschlagen haben. Es geht Besnard um den Konflikt zwischen Gehorsam und Selbstbestimmung: Der Koch ist kein Revolutionär. Sein Selbstverständnis begehrt jedoch gegen zwei Vorgaben auf: immer nur dieselben Gerichte zuzubereiten und dabei außerdem fremdländische Zutaten zu bevorzugen. Mancerons Herz schlägt für die heimische Küche, für Variation und Kreativität.

Doch auch ein Koch muss sich sein Essen verdienen. Zurück in der heimatlichen Auvergne, eröffnet er die Poststation seines Vaters wieder und will dort ausharren, bis der Herzog ihn zurückberuft. Von dem, was sein Sohn gelegentlich über Rousseau, den freien Willen und bevorstehende Volksaufstände von sich gibt, will er demonstrativ nichts wissen.

Auch beim Kochen will er vorläufig pausieren. Doch die Poststation liegt zu günstig. Bald gibt es doch wieder mehr als Suppe und Wasser für die vorbeikommenden Reisenden. Unterstützt von Benjamin und einer Frau namens Louise, die sich als Lehrling hartnäckig aufdrängt, schafft der Koch unbeabsichtigt die Voraussetzungen, um auch ohne die Gunst eines adligen Herrn seine Kunst ausüben zu können.

Als Regisseur und Drehbuchautor wurde Eric Besnard bislang vor allem mit Actionthrillern und Komödien wie „Birnenkuchen mit Lavendel“ assoziiert. Das historische Thema bei „A la carte!“ ist an sich schon eine Überraschung. Noch mehr verblüfft, wie konsequent er die (fiktive) Entstehungsgeschichte des ersten französischen Restaurants als kultivierte Unterhaltung angelegt hat. Zwar nutzt er auch die Möglichkeiten, die Opulenz der adligen Tafeln vorzuführen. Doch auch die vergleichsweise einfachen Gerichte im ländlichen Ambiente bildet die Kamera so einprägsam ab, dass sich fast impressionistische Stillleben von Kaninchen, Äpfeln und Brot ergeben.

Auch bei den Figuren strebt Besnard kein umfassendes Sittengemälde an, sondern entfaltet die Handlung über intime Szenen mit wenigen, präzise geformten Charakteren. Vor allem die Beziehung zwischen Manceron und der mysteriösen Louise verläuft über sinnliche Momente des gemeinsamen Kochens, in denen sich die Faszination anspruchsvoll gestalteter Mahlzeiten offenbart. kna

„A la carte! Freiheit geht durch den Magen“, Frankreich 2021, 112 Minuten, FSK o.A., von Eric Besnard, mit Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Benjamin Lavernhe