Deutliche Einbußen

Einige Gewerbetreibende in Ofterdingen leiden unter den Sanierungsarbeiten auf der B 27

Seit drei Wochen laufen die Bauarbeiten auf der B 27 in Ofterdingen. Zu Stoßzeiten haben Pendler seitdem mit zäh fließendem Verkehr auf der Umleitung zu kämpfen. Auf der Bundesstraße in Fahrtrichtung Tübingen herrscht im Ort dafür gähnende Leere: Die Gewerbetreibenden spüren teilweise schon jetzt deutliche Einbußen.

07.06.2016

Von Amancay Kappeller

Gähnende Leere auf der Bundesstraße: Wegen der Sanierungsarbeiten bleibt der Durchgangsverkehr in Ofterdingen einseitig aus. Bei einigen Gewerbetreibenden geht der Umsatz deswegen spürbar zurück.Bild: Rippmann

Gähnende Leere auf der Bundesstraße: Wegen der Sanierungsarbeiten bleibt der Durchgangsverkehr in Ofterdingen einseitig aus. Bei einigen Gewerbetreibenden geht der Umsatz deswegen spürbar zurück.Bild: Rippmann

Ofterdingen. Ekrem Mujkic, Betreiber der Jet-Tankstelle in der Hechinger Straße, findet die Situation furchtbar. Schlimmer noch, als im Vorfeld befürchtet, sagt er: „Ob wir das überleben, ist nicht sicher. Das macht uns völlig kaputt.“ Die Hälfte seiner Mitarbeiter musste Mujkic schon entlassen, denn es kämen „kaum Kunden rein“. Die Tankstelle ist auf Durchgangsverkehr angewiesen – und ein Großteil davon fehlt derzeit.

Seit die Bauarbeiten auf der B 27 vor drei Wochen begonnen haben, ist die Ortsdurchfahrt in Richtung Tübingen komplett gesperrt. Schon jetzt verzeichnet Mujkic, der an der Jet-Tankstelle seit acht Jahren Geschäftsführer ist, einen Umsatzverlust von „60 bis 70 Prozent“. In den beiden letzten Bauabschnitten, voraussichtlich im September, wird die Tankstelle mehr als zwei Wochen gar nicht anfahrbar sein. „Momentan kommen noch ein paar Leute durch“, sagt Mujkic. In der Endphase aber rechnet er mit Verlusten von bis zu 80 Prozent.

So richtig ernst genommen fühlte sich Mujkic mit seinen Bedenken bei der Informationsveranstaltung des Regierungspräsidiums Anfang März in der Ofterdinger Zehntscheune nicht. Mit einer 24-Stunden-Baustelle wäre die Sanierung der B 27 schneller vorangegangen, meint er. Natürlich sei das aber auch eine Kostenfrage: Rund zwei Millionen Euro verschlingt die Ofterdinger Baustelle in fünfeinhalb Monaten.

Nicht ganz so schwarz sieht es bislang an Markus Kollenders MTB-Tankstelle aus. „Wir können momentan noch nicht klagen“, erklärt Kollender. Dabei profitiert die Tankstelle derzeit davon, dass die Fahrspur Richtung Hechingen, an der die Tankstelle ja liegt, noch geöffnet ist. „Es wird schon noch mehr einknicken“, vermutet Kollender. Riesengroße Bedenken hat er allerdings nicht.

Gar kein Problem stellt die Baustelle für die Firma THT dar, die auf dem ehemaligen Rapid-Gelände mit Großfahrzeugen handelt. „Wir haben keine Laufkundschaft. Die, die kommen wollen, kommen trotzdem noch“, berichtet Duran Findik, einer von drei Brüdern mit türkischen Wurzeln, die das Unternehmen leiten.

Udo Dietter, Betreiber des gleichnamigen Blumenfachgeschäfts in der Tübinger Straße, am Ortsausgang Richtung Dußlingen gelegen, sieht das Richten der Bundesstraße als „notwendiges Übel“. Das geschehe im Übrigen nicht zum ersten Mal. Dietter erinnert sich an die letzte große Sanierung vor rund 20 Jahren. Aus dieser Zeit hat er sogar noch Schilder aufgehoben, die er neulich nun wieder aufgestellt hat: Sie weisen die vorbeifahrende Kundschaft darauf hin, wie man dieser Tage am besten zur Gärtnerei gelangt. Das Schilder-Aufstellen wird vom Regierungspräsidium geduldet, solange diese die eigentliche Umleitung nicht verdecken.

Er habe das Glück, auch einen Hintereingang, also eine Zufahrt über die Brühlstraße und die Schulstraße zu haben, erklärt Dietter. Aus Richtung Nehren kommend sei das Geschäft immer zu erreichen. Und für Kunden, die aus Hechingen kommen, ist die Durchfahrt bis zur Gärtnerei erlaubt. „Bisher haben wir noch Glück gehabt“, meint Dietter: Spannend werde es für ihn erst demnächst, mit Beginn des zweiten Bauabschnitts. „Im Sommer haben wir nämlich normalerweise gute Durchgangskundschaft“, erklärt er. Das sei schon ein Problem. Kritisch sieht Dietter deshalb auch die B 27-Umgehungsstraße, die seit vielen Jahren in der Planung ist. Wenn die Umgehung komme, dann falle die Lauf-, oder in dem Fall Fahrkundschaft, nun einmal ganz weg: „So sind schon Ortschaften ausgestorben. Das hat alles zwei Seiten.“

„Bis Oktober haben wir eigentlich keine Schmerzen, über den Sommer ist das für uns nicht so tragisch“, sagt Ralf Boll, der gemeinsam mit Toni Qualina Geschäftsführer von „Qubo Reifen und Autotechnik“ ist. Schwierig könnte es für den Betrieb werden, wenn die Bauarbeiten nicht wie geplant Ende Oktober beendet sind: „Dann kämen wir ins Herbstgeschäft rein.“ Derzeit kommen Kunden aufgrund von Umleitungsstaus öfters zu spät zu Terminen. Boll freut sich in dieser Situation ganz besonders über die vorhandene Zufahrt von unten, von der Steinlach her.

Im Landgasthof Ochsen merkt man dem Tagesgeschäft noch nicht wirklich etwas von der Baustelle an. „Komplizierter wird es, wenn sie vor dem Haus sind“, sagt Alfred Jagersberger. Die Zufahrt zum Gasthaus wird dann, wie eben auch bei den anderen Geschäften, die an der Strecke liegen, behindert sein. Dass es so weit kommt, dass es an die Existenz geht, das glaubt Jagersberger nicht. Gewisse Einbußen befürchtet die Gastronomen-Familie aber schon. Gemeinsam mit Joachim A. Göhner, dem Betreiber vom Steakhouse, hat Jagersberger Schilder aufgestellt, die Gäste lotsen sollen.

„Es ist schon heftig“, findet eine 63-jährige Reutlingerin, die seit zwei Jahren in einer Filiale der Gomaringer Bäckerei Schmid Brot und Brötchen verkauft. Man sei schon stark beeinträchtigt durch die Baustelle. Viel Verkehr fehlt – und dadurch auch die Kunden. Yilmaz Arica vom Pizza- und Grillhaus kann der Baustelle vor seiner Tür indes auch Gutes abgewinnen: „Es wird leiser mit einem neuen Belag.“ Arica wohnt zugleich an der B 27 und sagt: „Man muss auch die Vorteile sehen für die Zukunft und zufrieden sein. Deswegen brauche ich mich nicht zu ärgern.“ Klar, von der Kundschaft her sei es viel weniger geworden. Aber das ändere sich ja auch wieder.

„Wir leiden schon darunter“, erklärt Giorgio Serra, Geschäftsführer der Pizzeria Isola Sarda. Er schätzt die derzeitigen Einbußen auf „20 bis 25 Prozent“ und sagt: „Das spüren wir schon.“ Viele Gäste, die kommen, und sogar Anwohner, sind laut Serra auch nicht ausreichend über die Baustelle und deren Ablauf informiert. „Wir wissen nicht, wie es sich entwickelt“, so Serra. Im August, wenn die Straße genau auf Höhe des Restaurants saniert wird, nimmt Serra Urlaub. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn schließlich geht das Geschäft in den Sommermonaten normalerweise besonders gut.

„Wir hören in den nächsten Wochen auf, dann sind wir sowieso nicht mehr betroffen“, konstatiert Ursula Winter vom Antiquitätengeschäft in der Hechinger Straße trocken. Der Grund für die Geschäftsaufgabe, die die Winters bereits seit Jahren ankündigen, sei aber nicht die Baustelle. Auch Roland Föll, Inhaber vom Antiquitätenhandel „Anno Antik“, fühlt sich „bisher nicht sonderlich eingeschränkt“. Das liege aber wohl auch daran, dass der Verkauf von Antiquitäten im Laden nur einen kleinen Teil eines Betriebsbereichs ausmache: Der größere besteht in Dienstleistungen wie Haushalts- und Geschäftsauflösungen sowie Entrümpelungen.

Ganz anders sieht es da bei Angela Blens aus, die antike Öfen und Herde im Angebot hat: „Der Kundenrückgang ist enorm, wir leiden sehr.“ Gerade mal ein Kunde fand innerhalb von drei Tagen den Weg in Blens‘ Geschäft. Zuvor sei das nicht so gewesen: „Es hat einen Riesen-Einbruch gegeben.“ Da habe man dann schon zu kämpfen. Ein Unding sei es, sagt Blens, dass die Gewerbetreibenden mit ihren Sorgen allein gelassen werde. Nicht einmal an den Kosten für Hinweisschilder beteiligten sich die Verantwortlichen, klagt Blens: Bei der Informationsveranstaltung im März hätten Vertreter des Regierungspräsidiums „gleich abgewunken“.

Bauphase 2 hat begonnen

In Bauphase 1 wurde der erste Straßenabschnitt vom Ende des zweispurigen Ausbaus der B 27 bis etwa 70 Meter vor dem Ortsschild gerichtet. Seit gestern läuft Bauphase 2: Im ersten Abschnitt wandert die Baustelle weiter bis auf Höhe des Gasthauses Ochsen, im zweiten Abschnitt geht es dann bis 40 Meter vor die Krummenstraße. Im ersten Abschnitt sind die Einmündungen zur Lindenstraße und zum Nonnenweg gesperrt. Im zweiten Abschnitt ist die Einfahrt zur L 385 dicht. Die L 385 von Dettingen wird umgeleitet. In Bauphase 3 geht es weiter bis zum Ortsschild am südlichen Ortsrand. Die Einmündung der Aspergstraße ist in beide Richtungen wieder frei. Die Krummenstraße ist dicht. Das letzte Stück bis zur Kreuzung an der Mössinger Straße erledigen die Bauarbeiter in Bauphase 4. Die Umleitung des Verkehrs in Richtung Tübingen erfolgt über Mössingen und Nehren.

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Erstellt:
07.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 54sec
zuletzt aktualisiert: 07.06.2016, 01:00 Uhr

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