Fußball

Einer hat gepetzt

Ein Spiel der 2. Kreisklasse aus dem Fußballkreis Oberhavel ging einst in die Geschichte ein. Die 0:6-Schummelei wurde sogar verfilmt.

17.06.2021

Von STEFFEN KRETSCHMER

Vor 15 Jahren kam ein Film in die Kinos, der so etwas wie das Sahnehäubchen auf einer absoluten Kuriosität war: „Das Wunder von Mühlenbeck.“ Denn zwei Jahre zuvor, am 1. Mai 2004, hatte sich die zweite Mannschaft des SV Mühlenbeck unsterblich gemacht. Auf dem Papier, und mit einer heftigen 0:6-Klatsche gegen die Reserve des Birkenwerder BC. Das Echo auf dieses Ergebnis hallte damals weit über die regionalen Grenzen hinaus.

Der gut 40-minütige Streifen von Regisseur Johan Kramer steht noch heute als DVD in den Regalen der Protagonisten von damals und erinnert an den fragwürdigen Ruhm, der heute aber allen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Denn das 0:6 des SVM II gegen den BBC 08 II hat es nie gegeben. Einzig ein vollständig ausgefülltes Spielformular war real. Mühlenbeck hatte für sein Heimspiel lediglich sechs Spieler zusammenbekommen. „Es war ein Hin und Her“, erinnert sich Sven Hempel an gemeinsame „Überlegungen“ mit dem BBC, „was wir machen könnten“. Der damalige Kapitän des SV ließ dann seine guten Kontakte zum Ortsnachbarn spielen. Schließlich war er selbst einmal für Birkenwerder aufgelaufen.

„Wir waren aber letztlich der Auslöser“, sagt Guido Beussel, damals der verantwortliche Trainer für den BBC II. Und zu diesem Zeitpunkt auch jemand, der das ganze Geschehen mit auf den Weg brachte. „Wir wollten unbedingt die drei Punkte, da wir in der Saison 2003/2004 wirklich nicht so schlecht waren.“

Schiedsrichter überredet

Man einigte sich schnell, das 0:6 wurde einfach bestimmt. Es sollte ein halbwegs reales Resultat gegen eine dezimierte Mannschaft widerspiegeln. „Lediglich Schiedsrichter Enrico Knospe hatte sich erst quergestellt. Aber auch ihn konnten wir überreden“, erinnert sich Beussel.

Die Idee schien perfekt. Punkte für den Gast und keine Strafe für die Hausherren wegen des Nichtantretens. Garniert wurde das alles mit einer Kiste Bier, welche die Mühlenbecker sponserten. „Alles sah so aus, als hätte das Spiel tatsächlich stattgefunden“, sagt Sven Hempel. Birkenwerder war danach sogar zur Kreisliga-Partie der eigenen Ersten nach Bärenklau weitergereist. Beussel: „Dort haben wir dann ganz normal erzählt, dass wir gewonnen haben.“

Auch Dieter Iden, der frühere Vorsitzende des SV Mühlenbeck, hat noch vor Augen, wie damals „alle bei uns zusammengesessen haben“. Dass es dann aber auf diese Weise endet, damit hatte laut Aussage des heute 82-Jährigen niemand gerechnet. „Das hätte wirklich keiner gedacht.“

Denn am Ende sahen sich alle Beteiligten einige Zeit später in einer Sportgerichtsverhandlung wieder. Der gesellige, fußballlose Nachmittag bei Bier und entspannten Gesprächen blieb zwar, doch kamen dann noch Geldstrafen für beide Mannschaften dazu.

Doch wie kam der Schummel ans Licht? Warum bekam plötzlich die Öffentlichkeit Wind von einem Spiel, das es nie gegeben hat? „Solche Geschichten sind nicht planbar. So etwas zu machen, geschieht aus dem Bauch heraus, zumal es das Einfachste war, um beiden Mannschaften zu helfen“, sagt Guido Beussel, der von einem „fast perfekten Plan“ spricht.

Offenbar hatte jemand gepetzt, der in unmittelbarer Nähe zum Mühlenbecker Sportplatz wohnte. „Und so nahm das Unheil seinen Lauf“, sagt Iden. „Aber wir sollten heute einfach darüber schmunzeln.“ Kurios sei es dennoch gewesen, wie sich alles weiterentwickelte. Denn beim „Wiederholungsspiel“ hätte plötzlich ein Kamerateam am Platz gestanden. Die Geburtsstunde für „Das Wunder von Mühlenbeck“.

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Erstellt:
17.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 17.06.2021, 06:00 Uhr

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