„Freiheitstag“

Kommentar: Einen Versuch wert

Die Pandemie hat das Land in Ungeimpfte und Geimpfte gespalten. Bei Eltern, Lehrern, Pflegenden ist die Geduld zu Ende, die Kraft erschöpft. Da wirkt der Vorschlag des Chefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, einen Tag der Freiheit zu bestimmen, verführerisch.

21.09.2021

Von DOROTHEE TOREBKO

Berlin. Am letzten Oktobertag sollten alle Corona-Beschränkungen aufgehoben werden, fordert er. Die Ungeimpften würden dann ihrem Schicksal überlassen. Ein riskantes Manöver. Doch den Versuch ist es wert.

Grundrechtseinschränkungen sind nur dann zu rechtfertigen, wenn eine kritische Infektionslage herrscht und eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Das ist derzeit nicht der Fall. Sicherlich besteht die Gefahr, dass sich mit einer Öffnung auch wieder mehr infizieren. Die Angst vor sich füllenden Krankenhäusern und fehlenden Beatmungsgeräten ist groß. Gassen kalkuliert jedoch, dass das Risiko geringer sein wird als angenommen. Er spekuliert darauf, dass ein Freiheitstag Millionen Menschen zum Impfen bringt und die Impfquote von 63 auf 70 Prozent steigen lässt. Damit wären mehr Menschen geschützt.

Man muss nicht ganz so weit gehen wie Gassen, sondern könnte eine Bedingung stellen. Wenn bis Ende Oktober 70 Prozent geimpft sind, gibt es einen Freiheitstag. Zusätzlich müsste die 2G-Regel verstärkt in Clubs, Restaurants und Theatern zum Einsatz kommen. Statt einer Impfwoche sollte es einen Impfmonat geben. Auch eine Corona-Prämie müsste noch einmal diskutiert werden. Die wäre sicherlich günstiger als ein Lockdown. Der Freiheitstag wird kein Allheilmittel sein. Doch es ist an der Zeit, alles auszureizen, was möglich ist – auch diese Option.