VfB-Kapitän Gentner über den neuen Trainer und die Abwehrschwächen

"Einen Tick tiefer stehen"

Zu Beginn der Saison war der Spielführer davon überzeugt, mit den Stuttgartern in bessere Zeiten stürmen zu können. Keine vier Monate ist er als Krisenmanager gefragt. In dem aktuellen Chaos wirkt er positiv.

02.12.2015

Von ARMIN GRASMUCK

Routinier und Antreiber im Mittelfeld: VfB-Kapitän Christian Gentner. Foto: Eibner

Routinier und Antreiber im Mittelfeld: VfB-Kapitän Christian Gentner. Foto: Eibner

Stuttgart. Der Kapitän der Roten, 30 Jahre alt und Profi seit mehr als elf Spielzeiten, hat einen bewegten Karriereweg hinter sich. Als Toptalent der VfB-Junioren und Deutscher A-Jugendmeister des Jahres 2003 schaffte der in Nürtingen geborene Mittelfeldspieler schnell und geschmeidig den Sprung in den Kader der Lizenzspieler. Als die Kumpels aus der Jugend, Mario Gomez, Sami Khedira und Serdar Tasci, im Sommer 2007 überraschenderweise auch mit der Profitruppe zur Meisterschaft stürmten, durfte Christian Gentner als Ergänzungsspieler mitfeiern. Der Sprung in die Stammformation blieb ihm in Stuttgart jedoch verwehrt, also wechselte er nach Wolfsburg - und wurde zwei Jahre später erneut Deutscher Meister. Unter Trainer Felix Magath war der technisch versierte und laufstarke Spieler eine der tragenden Säulen in der Strategie der Wölfe.

Vielleicht ist es die Routine, das Auf und Ab des professionellen Fußballs, das ihn die aktuelle Krise des VfB etwas gelassener ertragen lässt als manchen Kollegen. Fehlstart, Trainerwechsel, die nächste Schlappe - der Spielführer versucht, die positiven Aspekte zu unterstreichen. "Ein neuer Trainer bedeutet immer auch eine neue Ansprache", sagt Gentner. "Natürlich merkst du, wie sich da in der Kabine etwas bewegt. Spieler, die gerade noch hinten dran standen, wittern eine neue Chance. Wir haben viele sehr aktive Trainingseinheiten, die der eine oder andere Spieler nutzt, um einen guten Eindruck beim neuen Trainer zu hinterlassen."

Unter dem Interimscoach Jürgen Kramny, der von der zweiten Mannschaft aufgerückt ist und den erfolglosen Versuch mit Neueinsteiger Alexander Zorniger kaschieren soll, arbeiten die VfB-Profis mit neuem Schwung daran, sich gerade in der Defensive zu stabilisieren. Das 1:4 am Sonntag in Dortmund hat erneut eindrucksvoll verdeutlicht, dass es in den vergangenen Wochen und Monaten verpasst wurde, gerade in diesem Bereich konstanter und konsequenter zu werden. "Da kann es keine zwei Meinungen geben", sagt Gentner. "Wir haben mehr als 30 Tore bekommen, das ist gravierend, einfach zu viel. Für uns muss es jetzt vor allem darum gehen, herauszufinden, wie die individuellen Stärken des Einzelnen am besten eingesetzt werden. Wie wir auf schnellstem Wege kompakter werden können."

Von Kompaktheit wurde auch unter Zorniger unentwegt geredet, doch die offensiv attackierenden Stuttgarter wurden von den schnellen Gegenstößen der Gegner regelmäßig auf einfachste Weise ausgehebelt. Sie waren in Unterzahl, sie standen zu weit vorne und zu weit auseinander. "Vielleicht hilft es uns, wenn wir jetzt einen Tick tiefer stehen und so wieder das Vertrauen in unser Spiel gewinnen", so erklärt Gentner. "In den letzten Wochen haben wir oft gezögert. Und in der Art, wie wir Fußball spielen wollten, war das Zögern einfach tödlich."

Die Idee, Kramny zumindest vorübergehend mit der schwierigen Aufgabe der Stabilisierung zu betrauen, lag auf der Hand. Der Trainer hat den Stallgeruch, und er weiß, um was es geht. "Für viele ist Jürgen Kramny ja gar nicht so neu", sagt Gentner. "Einige kennen ihn bereits aus der U 23. Er ist ein aufgeschlossener, offener Typ, der aber auch auf die Dinge wert legt, die gerade gefragt sind. Für unsere U 23 ging es in der 3. Liga in den vergangenen Jahren auch regelmäßig darum, einfach drin zu bleiben." In den ersten Ansprachen hat Kramny die VfB-Profis eindringlich aufgefordert, den Teamgedanken, der in letzter Zeit offenbar nur mäßig ausgeprägt war, zu stärken. Er schätzt den starken Zusammenhalt im Abstiegskampf als entscheidenden Faktor.

"Wir wissen, dass wir uns dem neuen Trainer-Team öffnen müssen, weil es von alleine sicher nicht besser wird", sagt Gentner. "Der 17. Platz ist unbefriedigend, da müssen wir ansetzen und es gilt, keine Zeit zu verlieren. Wir müssen uns mit guter Trainingsarbeit das Selbstvertrauen zurückholen - und am besten mit Ergebnissen." Das Heimspiel am Sonntag gegen die nur zwei Ränge und drei Punkte besser platzierten Bremer bietet den Stuttgartern die perfekte Gelegenheit zur prompten Trendwende.