Kurzinterview mit Bernhard Pörksen nach der US-Wahl

„Eine gute Portion Wunschdenken“

Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen.

10.11.2016

Von Axel Habermehl

Entgegen fast aller Erwartungen hat Donald Trump die Wahl gewonnen. Wieso lagen so viele Medien falsch?

Bernhard Pörksen: Da war eine Portion Wunschdenken dabei. Eine Art Filterblase und Echokammer der Gemäßigten, die gehofft haben, dass ein solcher Populist und Hasardeur die Wahl zum Präsidenten der wichtigsten Demokratie der Welt nicht gewinnen kann.

Das sagten ja auch alle Umfragen.

Sie lagen erstaunlich falsch. Diese Wahl ist geeignet, die Herrschaft der Demoskopie zu beenden. Wir sehen, dass wir den Daten solcher Umfragen nicht verlässlich trauen können.

Warum ist das so?

Der zentrale Befund lautet „soziale Erwünschtheit“. Man sagt etwas, von dem man glaubt, dass es andere zu hören hoffen. Menschen orientieren sich an gefühlten Mehrheiten. Trump aber war ein Kandidat, der sich durch seine Aggressivität und Pöbeleien isoliert oder der doch sehr stark polarisiert hat. Es ist womöglich nicht einfach, sich offen mit so jemandem zu identifizieren, wenn man von einem Befragungsinstitut angerufen wird. Dies hat vielleicht Verzerrungseffekte produziert.

Trump wurde medial regelrecht dämonisiert, er galt als unwählbar. Hat ihm das am Ende genutzt?

Ich denke, es ist etwas Anderes. Trump profitiert von einer veränderten Medienwelt. Dieser Wahlkampf hat gezeigt, dass der klassische, seriöse Journalismus schwächer wird und seine Durchschlagskraft abnimmt. Die investigativen US-Journalisten haben Trump lange nicht ernst genommen. Man hat ihn als „Reality-TV-Figur“ angegriffen, als Menschen, dessen Habitat die Castingshow ist. Die Enthüllungen über seine möglichen Steuerdeals, Geschäftspraktiken, seinen Umgang mit Frauen und Mitarbeitern kamen sehr spät.

Trump selbst hat Medien ständig angegriffen. Eine gute Strategie?

Breite Kreise in den USA, aber auch in den westlichen Mediensystemen insgesamt begegnen etablierten Medien mit Misstrauen und Skepsis. Sie haben längst eigene Selbstbestätigungsmilieus. Trump hat das in seinem Sinne orchestriert. Er hat sich direkt an seine 13 Millionen Twitter-Follower gewandt und Berichte, die ihm missfielen, als erlogen, falsch oder irreführend bezeichnet. Seine Vorwürfe gegen Medien oder auch gegen Hillary Clinton hat er konstant wiederholt, eingehämmert. Außerdem gab es eine verborgene Komplizenschaft mit dem Fernsehen. Die Einschaltquoten, die Trump den Sendern beschert hat, waren gigantisch. Deshalb lieferten sie ihm kostenlose Sendezeit, kostenlose Werbefläche im Milliardenwert.

Wie sollten Medien künftig mit dem Präsidenten Trump umgehen?

Ich wünsche mir zum einen eine Phase der Selbstreflexion. Wie geht man mit Populisten um? Wann belohnt man sie durch zu viel Aufmerksamkeit? Darüber sollten wir als Gesellschaft diskutieren. Zum anderen müssen Journalisten weiter ihren Job machen und hoffen, dass es nach diesem Wahlkampf, dieser Schlammschlacht eine Rückkehr zu einem akzeptablen öffentlichen Diskurs gibt. Und dass auch dieser Diskurs unter den gegenwärtigen Bedingungen sein Publikum findet.