Pro & Contra

Kommentar: Jetzt ein Stadtbummel – oder lieber doch nicht?

Sollen wir an diesem Wochenende guten Gewissens durch die Tübinger Altstadt bummeln?

27.03.2021

Von Eike Freese / Lisa Maria Sporrer

Volle Gassen am Freitag in der Tübinger Altstadt. Bild: Ulmer

Volle Gassen am Freitag in der Tübinger Altstadt. Bild: Ulmer

Pro Stadtbummel

Sicher, es hat etwas Absurdes: Deutschland rasselt gerade mit Karacho in eine dritte Infektions-Welle, die auch mit den Lockerungen der vergangenen Wochen einhergeht – und in Tübingen drängen sich fröhliche Münchner um einen „Coppa d’Amore“ im Eiscafé. Muss das sein? Nein. Aber es darf sein.

Die Stadt Tübingen entfesselt aktuell eine veritable Materialschlacht, um täglich Tausende von Menschen halbwegs coronasicher in Läden und vor Restaurants zu lotsen. Das Angebot wird super angenommen – auch weil Medien bundesweit berichten und es (noch) nicht viele Alternativ-Orte mit Test-Strategien gibt. Dabei ist es vermutlich einer der wenigen möglichen Wege, um in den kommenden Monaten gesellschaftliches Leben überhaupt zu ermöglichen. Flankiert von einer (noch viel wichtigeren) Strategie der niedrigen Inzidenzen, könnte auf die Art vielleicht ein Leben wie im Sommer 2020 möglich werden. „Könnte“? Klar – aber so ist Corona. Das alles nicht zu probieren, wäre jedenfalls auch ein Risiko, das gerechtfertigt werden muss.

Und sicher: Dumme gibt es auch in Tübingen genug. Leute, die denken, ein Negativ-Test erlaubt Kuschel-Orgien und Masken-Striptease. Aber können wir nicht getrost davon ausgehen, dass von Berlin bis Bodelshausen aktuell genau die gleichen Leute massenweise die Grünanlagen bevölkern? Und auch dort kein Aufpasser mit dem Finger wedelt? Entweder schaffen wir es trotz dieser Leute – oder wir schaffen es gar nicht. Schnelltests helfen womöglich sogar, genau die Nasen abzufangen, die sonst nicht unter übermäßiger Corona-Sorge leiden.

Umfrage

Jetzt auf einen Stadtbummel durch die Tübinger Altstadt - oder doch lieber nicht?

31 %
Ja, unbedingt. Durch die Schnelltests fühle ich mich sicher und freue mich schon drauf.
69 %
Nein, keinesfalls. In der derzeitigen Pandemie-Lage ist mir das zu riskant.
987 abgegebene Stimmen

Contra Stadtbummel

Freies Bänkchen? Fehlanzeige. Mal wieder zum Italiener? Alles belegt. Wenigstens ein Coffee to go? Schlange zu lang. Ja, Normalität ist in Tübingen eingekehrt. Touristen säumen mit gezückten Handys im Selfie-Modus das Geländer der Neckarbrücke, jeder Quadratmeter von dem, was einst auf der Platanenallee Wiese war, ist mit Picknickdecken zugelegt. Und nicht zu vergessen die Stufen. Stufen sind die neuen Bänke, vor der Stiftskirche, vor Geschäften, überall. Menschen überall. Schlangen überall. Nur eins scheint nicht mehr da zu sein: das Virus.

Das Jahr Pandemie scheint in Tübingen keine Spuren hinterlassen zu haben. Von null auf hundert in weniger als zwei Wochen. Die Insel der Glückseligen, die, bis andere Städte ihre Modellprojekte à la Tübingen genehmigt bekommen, eben ein Plätzchen bietet für alle, die sich nach Normalität sehnen. Inzidenzen? Spielen hier keine Rolle. Maskenpflicht? Gibt’s die noch? Kontaktverbote? Dürften nach der Anzahl der Personen, die in Gruppen durch die Stadt ziehen, auch außer Kraft sein, oder?

Aus dem „Tübinger Weg“, einer vorbildlichen Teststrategie von Lisa Federle, ist nun das „Tübinger Modell“ geworden, das die Teststrategie als logische Fortführung des Wegs zwar als Voraussetzung fest etabliert hat. Ein negativer Schnelltest darf aber nicht die Pandemie vergessen machen. Normalität, die immer mehr Tagestouristen hier suchen und die der Gastronomie, dem Handel und der Kultur von Herzen zu gönnen wäre, sollte erstmal für Tübinger das Ziel sein. Immerhin handelt es sich noch immer um ein Modellprojekt. Und dafür sind momentan einfach zu viele Menschen hier unterwegs.

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Erstellt:
27.03.2021, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 33sec
zuletzt aktualisiert: 27.03.2021, 01:00 Uhr

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