Die sitzende Gesellschaft

Warum Studieren gesundheitsgefährdend sein kann - und was der Hochschulsport dagegen tut

Viele Studierende kommen mit Gesundheitsproblemen aus dem Studium. Der Grund: Sie sitzen zu viel. Der Tübinger Hochschulsport will das ändern.

30.10.2018

Von Jacqueline Schreil

Warum Studieren gesundheitsgefährdend ist
© ST 01:42 min
Viele Studierende bewegen sich zu wenig: Sie sitzen im Seminar, an der Hausarbeit, in der Vorlesung und der Uni-Bibliothek. Der Hochschulsport will das ändern, denn das Sitzen ist nach Ansicht einiger Wissenschaftler das neue Rauchen. Video: Schreil

Sitzen ist das neue Rauchen. Diese Meinung teilen einige Gesundheitsexperten. Die sitzende Gesellschaft hat zunehmend mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen, denn die Bewegung kommt in vielen Fällen zu kurz.

Längst gibt es einschlägige Literatur und Studien zum Thema, dort werden die negativen Folgen für Herz- und Kreislaufsystem, Blutwerte, Stoffwechsel und Muskeln näher beleuchtet. Das allgemeine Fazit: Zu häufiges Sitzen gilt als extrem gesundheitsschädlich, und der Mensch, der ja ein Läufer ist, sollte es nur in Maßen tun.

Risikogruppe Studierende

So viel zur Theorie, die Praxis ist bekanntlich eine andere. Besonders Studierende sitzen viel im Seminar, im Hörsaal, in der Bibliothek und am heimischen Schreibtisch. Rückenschmerzen, Gereiztheit und Konzentrationsprobleme können schon in jungen Jahren die Folgen sein, dabei gilt es doch, erfolgreich das Studium zu schaffen, um anschließend in die Arbeitswelt zu starten.

Wie kann man also vermeiden, dass die Absolventen schon krank aus dem Studium kommen, bevor das Berufsleben überhaupt begonnen hat? Der Tübinger Hochschulsport (HSP) hat mit dem Institut für Sportwissenschaft zu Beginn des Jahres ein Projekt gestartet, das neue Bewegungsmöglichkeiten von Studierenden für Studierende schaffen soll. „BeTaBalance - bewegt Studieren zwischen Berg und Tal“ heißt der Versuch, auch Bewegungsmuffel zu mobilisieren. „Die Uni hat ja schon ein betriebliches Gesundheitsmanagement für Mitarbeiter, jetzt soll es auch um die Studierenden gehen“, sagt Ingrid Arzberger vom HSP.

Häufig muss man sich Bewegung extra vornehmen.Bild: Hochschulsport

Häufig muss man sich Bewegung extra vornehmen.Bild: Hochschulsport

Dafür wurden die Studierenden im Sommer online zu ihren Gewohnheiten befragt. Master-Studierende am Tübinger Sportinstitut haben die Online-Studie jetzt ausgewertet. Die Ergebnisse sollen in neue Konzepte des Hochschulsports einfließen.

Selbst aktive Studierende bewegen sich nicht genug

„Zwar gibt es ein ausgedehntes Hochschulsport-Programm mit verschiedenen Angeboten, aber selbst aktive Studierende erfüllen die Bewegungsempfehlungen nicht, obwohl sie Hochschulsport machen“, sagt Monika Teuber, die das Projekt betreut. Das Bundesgesundheitsministerium empfiehlt verschiedene Maßnahmen zur ausreichenden Bewegung im Alltag, die man online auf über hundert Seiten nachlesen kann. „Wir haben es auch mit einem sogenannten Präventionsdilemma zu tun“, ergänzt Professor Gorden Sudeck vom Institut für Sportwissenschaft. „Unsere Angebote werden eher von Studierenden in Anspruch genommen, die sowieso schon gesundheitsbewusst sind.“ Der Hochschulsport der Uni Tübingen möchte deshalb gezielt inaktive Studierende ansprechen (siehe Info).

Der Berg als Hindernis

„BeTaBalance“ soll auch einen Ausgleich zwischen dem Studium auf dem Berg und dem Studium im Tal schaffen. Die meisten Hochschulsportangebote Tübingens gibt es bislang im Tal. Wer also auf dem Berg studiert (vorwiegend Naturwissenschaftler), hat einen weiteren Weg zum Sportangebot und ist somit womöglich eher geneigt, den Sport bleiben zu lassen.

„Ich studiere seit vier Semestern auf der Morgenstelle und konnte mich bisher nicht aufraffen, auch mal zum Hochschulsport zu gehen“, bestätigt eine Physik-Studentin. Weil sie auch auf Waldhäuser Ost wohne, sei es eine zusätzliche Überwindung, nach einem langen Studientag extra ins Tal zu fahren. „Ich spüre meinen Rücken inzwischen jede Woche“, sagt ein Chemie-Student. „Ich bin 23, da sollte man solche Sätze noch nicht sagen.“

Auch auf dem Tal-Campus ist man sich seines Bewegungsmangels bewusst. Eine Geschichts-Studentin sagt: „Ich gehe hin und wieder joggen, aber ich weiß auch, dass das längst nicht ausreicht.“

Schon wenige Minuten helfen

Dabei können schon wenige Minuten tägliche Bewegung einen Unterschied machen. Laut Arzberger vom HSP lohnt sich das auch für die Denkleistung: „Die Aufnahmefähigkeit steigt schon nach kurzen Bewegungspausen.“

Gerade in den Bachelor- und Masterstudiengängen, die durch den Bologna-Prozess verdichtet wurden, komme die Bewegung noch kürzer als sowieso schon, so Arzberger. „Die Studienanforderungen müssen nun in weniger Zeit geleistet werden, wer nimmt sich da noch Zeit für viel Sport?“ Ein Fazit der Studie: Die Studierenden sollen erkennen, dass Bewegungsförderung ein Baustein erfolgreichen Studierens sein kann.

„Die Studierenden von heute sind die Führungskräfte von morgen. Wir wollen ihnen die Chance geben, unsere Idee auch mit in die Betriebe zu nehmen und dort künftig mehr Ausgleich zu schaffen“, sagt Teuber.

Bewegungssnacks in den Pausen

Eine Strategie, die der Hochschulsport verfolgt, ist, den Studierenden auch kurze Bewegungseinheiten schmackhaft zu machen. Der „Bewegungssnack“ soll unverbindlich und flexibel in Mittagspausen Platz finden. Studierende können dort für etwa 15 Minuten unter Anleitung Mobilisations-, Kräftigungs-, Dehnungs- und Entspannungsübungen ausführen. Die Übungen sind so gestaltet, dass man in normaler Alltagskleidung kommen kann. „Das Ganze ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich und es geht um Muskeln, die man im Alltag oft vernachlässigt“, sagt Christina Hüßner, die den Bewegungssnack leitet.

Mittwochs im Clubhaus und donnerstags im Hörsaalzentrum Morgenstelle (7E02), jeweils 12 Uhr bis 14 Uhr.

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Erstellt:
30.10.2018, 18:59 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 30.10.2018, 18:59 Uhr

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