Kommentar · Spendenaktion

Eine Hilfsbereitschaft, die nicht selbstverständlich ist

Lisa Maria Sporrer über die Spendenbereitschaft in der Region

04.02.2021

Von Lisa Maria Sporrer

Es war eine starke, eine fröhliche, eine trotz ihrer Krankheit zuversichtliche Frau, 57 Jahre alt, die Anfang Dezember auf der Palliativstation des Uniklinikums von ihrem größten Wunsch erzählte: die Geburt ihres ersten Enkels mitzuerleben. Für den Mai war das Kind errechnet. Der Krebs von Marlen aber war zu aggressiv. Zwei Wochen später schrieb mir ihr Sohn, dass ihr dieser Wunsch leider verwehrt wurde. Am 15. Dezember starb seine Mutter.

Nicht nur die Gewissheit, todkrank zu sein, unheilbar, ausweglos, ist ein schweres Schicksal; auch das Leiden muss ertragen werden, die Schmerzen, die Luftnot, Bewegungsunfähigkeit. Die palliative Versorgung in Deutschland wird besser, vieles aber wird finanziell noch nicht von den Kassen übernommen. So wie die Musiktherapie, von der Marlen Anfang Dezember erzählte, dass sie dadurch die anstrengenden Bestrahlungen ertragen konnte, Ängste in Melodien auflösen konnte.

Es sind diese Erlebnisse, die aus Spendenprojekten mehr machen, als nur ein Projektname und eine dazugehörige Kontonummer zu sein. Wer solche Schicksale kennenlernt, miterlebt, betroffen ist, fragt sich bisweilen, weshalb dafür kein Geld da ist. Die Palliativstation ist doch Teil eines großen Krankenhauskomplexes, da muss doch das Gesundheitssystem verantwortlich sein.

Wenn Künstler und Kulturschaffende vor dem Nichts stehen, durch Lockdowns in die Arbeitslosigkeit gezwungen werden, teils nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, dann muss es doch staatliche Unterstützung geben, die über eine teils eher symbolische Einmalzahlung hinausgeht. Es muss Geld für Konzepte da sein, wie das kulturelle Leben in den Städten und Gemeinden – auch nach Corona – nicht in der Versenkung verschwindet.

Und wenn es sicherer sein kann in der Corona-Krise, mit einem negativen Schnelltest-Ergebnis die Oma besuchen zu gehen, die alleine zuhause lebt, wenn viele Ansteckungen verhindert werden können, weil es kostenlose Test-Anlaufpunkte gibt für die Bevölkerung, wieso kann das Land dann nicht Schnelltests einkaufen und an die Kommunen verteilen?

Auch, wenn man denkt, dass es so sein sollte: Ganz so einfach ist das mit der Finanzierung aber oft nicht. Und umso wichtiger ist es dann manchmal – besonders in Krisensituationen – nicht nur kleine Initiativen zu unterstützen, sondern auch Projekte, deren Finanzierung eben nicht selbstverständlich ist.

Es ist beeindruckend, wie viel Geld bei der diesjährigen Spendenaktion zusammenkam. Es ist erstaunlich, was damit bewirkt werden kann, beispielsweise wenn man sich die Aktion von Lisa Federle anschaut, bei der – nebenbei bemerkt – erneut das von Leserinnen und Lesern finanzierte Arztmobil eine tragende Rolle spielte. Es wird spannend sein, die Projekte, wie die Förderung der Kulturschaffenden, auch weiterhin redaktionell zu begleiten.

Letztlich ist es auch wirklich berührend zu erleben, wie die Menschen in der Region füreinander einstehen, wie sie denen helfen, die in Not sind, wie engagiert die Tübingerinnen und Tübinger sind. Es ist schon etwas ganz besonderes, in einer solchen Stadt mit solchen Menschen zusammenzuleben.