Tübingen

Eindringlich

Seit Dienstag erinnern auch in der Tübinger Altstadt 29 sogenannte Stolpersteine an vertriebene oder ermordete Jüdinnen und Juden („Gehwege des Erinnerns“ und „Übrigens“ vom 11. Juli).

12.07.2018

Von Ernst Gumrich, Tübingen

Am Dienstag wurden die ersten Stolpersteine in der Altstadt verlegt. Sehr ergreifend schilderten Schüler der Geschichts-AG an der Geschwister-Scholl-Schule die Lebensläufe der ermordeten und vertriebenen Menschen. Es wurde ganz still bei der Verlesung. So still und eindringlich, wie es die Steine in Zukunft sein werden.

Welche Form der Erinnerung ist richtig? Darüber kann man unterschiedlicher Ansicht sein. Ich bin froh, dass sich eine große Mehrheit im Gemeinderat gegen die klare Empfehlung der Stadtverwaltung stellte, sie nicht in Tübingen zuzulassen. So fand diese erste Verlegung im Beisein von Gemeinderätinnen und Gemeinderäten der Grünen, SPD und der Tübinger Liste statt, vor allem aber unter einer ganz großen Beteiligung von Tübingerinnen und Tübingern und von Familienangehörigen der vertriebenen und ermordeten ehemaligen Mitbewohner.

Die Steine, wie die Geschichten hinter ihnen, warnen uns davor, wie die Ausgrenzung von Menschen erst harmlos und in anfänglich kleinen Schritten der Entwertung und Zurücksetzung beginnt, dann keine Grenzen und keinen Haltepunkt mehr findet und am Ende Existenzen und ganze Kulturen vernichtet. Vielleicht erfolgt die späte Verlegung in Tübingen an diesem 10. Juli 2018 genau in einer Zeit, die diese Erinnerung braucht. Ausgrenzung: bitte nie wieder und gegen niemand, nur weil sie auf Grund von Herkunft, Religion oder anderen Gruppenzugehörigkeiten angeblich so völlig anders als die Mehrheit sind; gefährlich, wegzuschaffen aus unseren Augen.