Schlaue Hasen und magische Tiere

Ein polyglottes Programm beim vierten Tag der Rottenburger Sommerleseabende

Endlich ist der Sommer da, und immer mehr Zuhörer strömen zu den 8. Rottenburger Sommerleseabenden beim Haus am Nepomuk. Am Dienstag ließen sich 180 Leute entführen in bizarre TV-Studios, auf Gambias Felder und in neapolitanische Schulen.

25.08.2016

Von Fred Keicher

Sommerleseabend Rottenburg: Saikou Sumaveh trug mit Trommel eine Geschichte in seiner Sprache Matinka vor, Angelika Kranzbühler las die Übersetzung. Bild: Keicher

Sommerleseabend Rottenburg: Saikou Sumaveh trug mit Trommel eine Geschichte in seiner Sprache Matinka vor, Angelika Kranzbühler las die Übersetzung. Bild: Keicher

Rottenburg. Wiederum brachten die Veranstalter vom Förderverein Stadtbibliothek Menschen aus Rängen und Richtungen zu einem munteren Programm zusammen. Da waren ein Nachrichten-Redakteur, eine Buchhändlerin und ein Flüchtling. Die einen alteingesessen, der letzte nicht einmal zwei Jahre im Land. Saikou Sumaveh kam im November 2014 aus Gambia nach Rottenburg. Jetzt spricht er schon sehr gut Deutsch. Das Märchen seiner Großmutter über den schlauen Hasen und den bösen König erzählte er aber in seiner Muttersprache Matinka.

Das war eine sehr lebhafte Geschichte, die Sumaveh mit ausladenden Gesten und schnellen Bewegungen vortrug, sogar eine Trommel tauchte darin auf. Die Sprache scheint aus vielen einsilbigen Wörtern zu bestehen, die sehr kehlig ausgesprochen werden. Die Zuschauer folgten Sumaveh Vorstellung mit großem Vergnügen. Das wurde zum schallenden Gelächter, als Angelika Kranzbühler die Übersetzung vorlas: Der schlaue Hase nämlich bringt es fertig, dem bösen König die Arbeiter abspenstig zu machen, die dann lieber das Feld des Hasen bestellen. Der Streit ging gütlich aus: „Der Friede war gewahrt und der König war gedemütigt.“

Gambia ist mit 1,7 Millionen Einwohnern das kleinste Land Afrikas, klärte Renate Witte vom Förderverein Stadtbibliothek auf. Aber es werden dort mehr als zwanzig Sprachen gesprochen. Matinka ist am weitesten verbreitet. Kein Wunder, dass die Gambier so polyglott seien. Der Hausherr am Nepomuk Ernst Heimes fügte später noch etwas hinzu: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts blühte auch in Gambia der atlantische Sklavenhandel. Die Gambier seien begehrt gewesen, weil sie landwirtschaftliche Kenntnisse hatten. Sumaveh hätte ihm gesagt: „Die Besten hat man exportiert, und ich bin übriggeblieben.“

Dabei können sich die schulischen Leistungen des 22-jährigen sehen lassen. Er hat alle Sprachprüfungen absolviert, aber nicht nur das, plauderte Heimes aus. Vor einem Jahr hat er sich bei der Abendrealschule angemeldet und absolvierte jetzt das erste Schuljahr mit einer Belobigung. Zudem hatte er sich als Externer bei der Hauptschule Innenstadt in Tübingen für die Hauptschule angemeldet. Bestanden. Wie es scheint, exportiert Gambia noch immer die Besten.

Den Lesereigen eröffnete Ralf Rittgeroth. Der Nachrichtenredakteur von Radio Antenne 1 hatte ein Buch seiner Studienfreundin Margit Auer mitgebracht. Das ist ein Band aus einer ganzen Reihe, die die „Die Schule der magischen Tiere“ heißt. Darin reist ein Mann namens Morrison mit einem Omnibus durch die Welt und bringt von seinen Reisen magische Tiere mit. Die können sprechen, nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit Menschen. Was im Kampf mit einem betrügerischen Moderator einer Fernsehshow deutliche Vorteile bringt, wie die vorgelesene Geschichte zeigte.

Um einiges schräger waren allerdings die Auszüge, die Angelika Kranzbühler zum Abschluss las. Auszüge aus Schulaufsätzen, die im von der verbrecherischen Camorra beherrschten Neapel entstanden sind. Marcello d’Orta hat sie unter dem Titel „In Afrika ist immer August“ gesammelt. Eigentlich kann man das nicht blühenden Unsinn nennen, es ist eine gewagte, aber eine treffende Beschreibung. Dasselbe gilt auch für diese Ausführungen über das Lieblingstier, das Schwein. Dem Schwein gefalle der Dreck, steht da, und man könne alles Mögliche aus ihm machen, sogar Zahnbürsten. Die Zuhörer schmissen sich vor Lachen.

Musikalisch machte ein Wiegenlied den Anfang. „Summertime“ von George Gershwin, geniale Erfindung eines afro-amerikanischen Folklorestücks, bringt alle Tröstungen, die es braucht, auf einen Nenner: Dein Vater ist reich und deine Mutter schön. Gespielt wurde das Stück in einer etwas abenteuerlichen Besetzung: Querflöte und Gitarre. Claudia Heberle war die Flötistin und Helmut Grutzek der Sänger an der Gitarre. Aber die beiden trafen den Swing der Stücke sehr gut. Für die Klassiker „Georgia on my mind“ und „Fly me to the moon“ erhielten sie viel Beifall.

Für Gaumenkitzel in der Pause sorgte wie schon die ganze Woche das „Bistrorant“. Es hatte eine Wein- und Sektbar im Freien aufgestellt, als Häppchen des Abends gab es Bratwurst im Wecken.

Info Heute gehen die Rottenburger Sommerleseabende zu Ende. Um 19 Uhr lesen beim Haus am Nepomuk die mit ihren Jugendromanen sehr erfolgreiche Autorin Mara Andeck aus Oberndorf – sie trägt ein Stück aus ihrem Buch „Wenn das Leben dich nervt, streu Glitzer drauf“ vor – und die Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr, die aus William Sutcliffes „Auf der richtigen Seite“ liest. Musik machen die Sängerin Leonie Mauch und der Gitarrist Stefan Ebert.