Die „Rose“ ist grad keine Rose

Ein geschlossenes Wirtshaus in Lustnau und die hohen Erwartungen an die Pacht

Das Restaurant „Sternwarte“, das „Wirtshaus Lichtenstein“, das ehemalige „Schlosscafé“ in der Burgsteige oder die „Rose“ in Lustnau – derzeit werden für einige gut eingeführte Gaststätten in Tübingen Pächter gesucht. Für insgesamt 18 Restaurants, Gasthäuser und Imbisse im Kreis werben Makler oft schon recht lange um neue Betreiber.

18.07.2016

Von Ulla Steuernagel

Die „Rose“ ist ein traditionsreiches Gasthaus in Lustnau. Seit Anfang des Jahres sind die Gasträume geschlossen. Die Höhe der Pacht könnte für den potenziellen Betreiber ein Risiko sein.Bild: Metz

Die „Rose“ ist ein traditionsreiches Gasthaus in Lustnau. Seit Anfang des Jahres sind die Gasträume geschlossen. Die Höhe der Pacht könnte für den potenziellen Betreiber ein Risiko sein.Bild: Metz

Tübingen. Ein Beispiel für länger währenden Leerstand ist die „Rose“ in Lustnau. Schon seit Monaten hängt hier eine gut sichtbare Plane mit der Telefonnummer des Maklerbüros. Das ehemals beliebte Gasthaus ist geschlossen, das Sozialleben im Stadtteil leidet darunter. Auch die „Lustnauer Mühle“ gegenüber ist seit geraumer Zeit außer Betrieb. Sie wird derzeit renoviert und voraussichtlich im Herbst wieder öffnen. Bei der Gaststätte „Rose“ zeichnet sich eine Wiedereröffnung jedoch noch nicht ab. Sie wäre ab sofort zu mieten. Doch das „Ab sofort“ zieht sich nun schon Monate hin.

Ende des Jahres verkauften die Wirtsleute, die viele Jahre lang das Gasthaus mit starker Verbindung in die Welt der Sportler geführt hatten, das Gebäude an Fotios Timiliotis. Timiliotis betrieb selber schon Restaurants in Ludwigsburg und Stuttgart und kennt sich in der Branche aus. Er bietet nun die 380 Quadratmeter großen Gast- und Nebenräume gleich über zwei Makler an: einmal für 3700 Euro und einmal für 3790 Euro im Monat. „Steakhouse? Mexikanisch? Amore Italia?“ heißt es in dem knapp 100 Euro preiswerteren Angebot. Doch bis lang scheint noch niemandem der Mund wässrig geworden zu sein. Die telefonische Nachfrage des TAGBLATTs nach potenziellen Pächtern beendet Timiliotis mit dem knappen Bescheid, keine Auskunft geben zu wollen und einem sofortigen Gesprächsausstieg.

Mehr Offenheit beweist er bei Immobilienerwerben. Wie wir berichteten, hat Timiliotis, dem das frühere „Gastl“-Haus am Holzmarkt gehört, im Französischen Viertel eine ehemalige Bäckerei gekauft und in Wohnräume für Flüchtlinge umgewandelt. Auch die „Quartier“-Räume mit darüber gelegenen Wohnungen im Wankheimer Täle gehören ihm. Hier bietet sich ein ähnliches Bild wie in der „Rose“: Die Wohnräume sind belegt, die Gasträume stehen leer (für insgesamt 3900 Euro Monatspacht sind die 330 Quadratmeter zu haben).

Wie ganztagesfähig

ist ein Lokal?

Neben der erwähnten Pachtsumme muss der künftige „Rose“-Wirt noch rund 30 000 Euro Kaution und Provision hinlegen. Dazu kommen die Kosten für eine neue Kücheneinrichtung und neue Kühlräume. Fachleute setzen dafür zwischen 100 000 und 200 000 Euro an. Wirtsleute, die solche Summen investieren können, scheinen nicht gerade Schlange zu stehen. Ein Tübinger Gastronom, der sich in der hiesigen Szene gut auskennt, bezeichnet eine Übernahme zu solchen Konditionen als „sehr gewagt“. Die Traditionsgaststätte mit ihrem großen Gründerzeit-Saal gefällt zwar auch ihm, aber die Lage sei für Mittagsküche nicht günstig. Die Betreiber müssten also allein durch die Abendbewirtung auf ihre Kosten kommen.

Wann ist eine Pacht zu hoch, wann passt sie? „Pacht mal acht“ lautet eine Faustregel, die sich im Internet findet. Der Nettoumsatz sollte demnach das Achtfache der Pacht betragen. Bei der „Rose“ entspräche das etwa 30 000 Euro im Monat, also einem Tagesdurchschnitt von 1000 Euro im Dauerbetrieb, also ohne Ruhetag.

Mit welchen Berechnungen operieren die Fachleute vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga)? Der baden-württembergische Verbandssprecher Daniel Ohl wehrt ab: „Faustregeln gibt es bei uns nicht.“ Der Verband rät dagegen, vor der Unterzeichnung eines Mietvertrags zu einem Pachtvertragscheck, der für Mitglieder kostenlos ist. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zählen an erster Stelle: „Konzept, Standort, Betreiber“ – aber dann auch noch viele weitere Kriterien. In teuren Innenstadtlagen brauche man heute „ein ganztagesfähiges Konzept“, so Ohl. Mittags- und Abendküche genügten nicht, um die hohen Kosten wettzumachen. Im Sommer sei auch die Zahl der Außenplätze „spielentscheidend“. Ein Lokal hübsch zu finden, sich selber als freundlichen Typ einzustufen und kochen zu können, das allein reiche nicht für einen Businessplan. Solche Blauäugigkeit mache sich im Gastrobereich nicht bezahlt. Denn, so rechnet Ohl vor: „Sechzig Prozent der Kosten sind schon vorhanden, bevor noch der erste Gast das Lokal betritt.“

Finanzielle Interessen

unter einem Dach

Mehr als die Hälfte der Gründerexistenzen scheiterten, Unter den Teilnehmern eines der Existenzgründer-Seminare des Verbandes sei die Zahl jedoch weit geringer, lobt Ohl die Dehoga-Initiative.

„Das Problem der hohen Pacht ist da“, gibt auch Dietmar Hahn von der Tübinger Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WIT) zu, ohne allerdings im Einzelfall viel sagen zu können. Vor allem im Innenstadtbereich seien die finanziellen Vorstellungen der Eigentümer oft nicht mit denen der Pächter unter ein Dach zu bringen. Und die Systemgastronomie der großen Ketten, von denen die WIT Anfragen vorliegen hat, hätten oft sehr genaue Ideen über Größe der Außenflächen und die Zahl der Außenplätze, die nicht ins Altstadtmuster passten. Doch mit guten Konzepten schafften es auch inhabergeführte Wirtshäuser immer noch, ihre Existenz zu behaupten.

Ein Kommen und Gehen in der Gastro-Branche

In Baden-Württemberg gibt es rund 30 000 Gastronomie-Betriebe. Diese Zahl bleibt laut Fachverband seit Jahren erstaunlich konstant. In rund 7500 Betrieben verzeichnet man im Jahr An- und Abmeldungen. Zwar ist offen, wie viele altershalben Aufgaben darunter sind, aber Dehoga-Pressesprecher Daniel Ohl weiß dennoch, dass ein hoher Anteil von Betrieben darunter ist, die keinen Bestand haben. „Die Ertragsentwicklung in der Gastronomie hält mit den hohen innerstädtischen Mieten nicht Schritt“, so kritisiert Ohl. Die Pachterwartungen der Hauseigentümer seien in den letzten Jahren eben stark gestiegen.