Gesundheit

„Ein Systemwechsel ist nötig“

Die Grünen fordern eine 35-Stunden-Woche für Pfleger und eine strikte Tarifbindung. Parteivize Ricarda Lang erklärt warum.

26.04.2021

Von DOROTHEE TOREBKO

Grünen-Politikerin Ricarda Lang. Foto: Thomas Koehler/photothek.net

Grünen-Politikerin Ricarda Lang. Foto: Thomas Koehler/photothek.net

Berlin. Ricarda Lang ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen und hat maßgeblich das Wahlprogramm für die Gesundheitspolitik mitgestaltet. Im Interview erklärt sie, wie sie sich einen Systemwechsel in der Finanzierung der Kliniken vorstellt.

Welche Lehren ziehen Sie aus einem Jahr Corona?

Ricarda Lang: Die Corona-Krise hat die Schwächen des Gesundheitssystems offengelegt. Ein wesentliches Problem ist, dass Vorsorge nicht als Leitprinzip verankert ist. Man kann das mit der Feuerwehr vergleichen. Die gibt es in jedem Dorf, und man würde sie nicht abschaffen, wenn es ein Jahr lang mal nicht brennt. Im Gesundheitssystem hingegen geht es zunehmend um Profite – darunter leidet die Grundversorgung und damit sowohl die Beschäftigten als auch die Patienten.

Braucht man dafür dann jedes Dorfkrankenhaus?

Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass die Gesundheitsversorgung auf dem Land gesichert ist. Wichtig ist aber zu schauen, was an welcher Stelle gebraucht wird. Dafür braucht es einen Systemwechsel in der Finanzierung der Kliniken. Eine Klinik auf dem Dorf sollte nicht unbedingt eine Speiseröhrenoperation durchführen, für die sie nicht spezialisiert ist. Aber dafür muss beispielsweise die Notversorgung gesichert sein.

Die Belastung für Pflegende ist enorm. Viele schmeißen ihren Job hin. Wie wollen Sie den Beruf wieder attraktiver machen?

Erstens brauchen wir bessere Löhne – insbesondere in der Altenpflege. Unser Vorschlag ist, dass die Pflegeversicherung verpflichtet wird, nur noch mit Arbeitgeber*innen zusammenzuarbeiten, die nach Tarif bezahlen. Zweitens braucht es feste Personalbemessungsinstrumente. Einen Vorschlag hierzu gibt es von Verdi, der deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat. Drittens muss sich der Stellenwert der Pflegenden verbessern. Da ist ein Vorschlag, dass wir eine Bundespflegekammer einführen, damit sich Pflegende selbst als Berufsstand vertreten können.

Sie sprechen sich für die 35-Stunden-Woche für Pfleger aus. Wie wollen Sie die Krankenkassen davon überzeugen?

Nicht zu kurze, sondern zu lange Arbeitszeiten verschärfen den Pflegenotstand. Mit der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich wollen wir die Arbeitszeit an dem ausrichten, was schaffbar ist. Daran sollten auch die Krankenkassen ein Interesse haben. Dorothee Torebko