Buch
Ein Stück Aufklärung über Kriminalität und Strafjustiz
Geht es um Verbrechen und Strafjustiz, ist es ähnlich wie mit den „80 Millionen Bundestrainern“: Jeder hat eine Meinung und sein (Vor-)Urteil schon gefällt. Die Gerichte? Viel zu lasch. Die Jugend? Immer brutaler. Kriminalität? Nimmt ständig zu. Knast? Wellness auf Staatskosten. Auch dem Tübinger Strafrechtler und Kriminologen Jörg Kinzig begegnen solche Klischees immer wieder – nicht zuletzt bei seinen Jura-Studenten.
Jörg Kinzig: Noch im Namen des Volkes? Über Verbrechen und Strafe. Orell Füssli, Zürich 2020. 124 Seiten, 10 Euro. Foto: Cover: Verlag
Was Kinzig in seinem Büchlein „Noch im Namen des Volkes?“ versucht, ist also nichts weniger als Aufklärung im Wortsinne. Denn solche schlichten und schlicht falschen Auffassungen prägen öffentliche Meinung ebenso wie die Politik. In gut verständlichen Worten schreibt Kinzig fundiert und faktenreich auf, wie es „wirklich“ um Verbrechen und Strafe bestellt ist in Deutschland. Dass zum Beispiel „lebenslänglich“ nicht heißt, dass Häftlinge automatisch nach 15 Jahren freikommen – und der aktuell „dienstälteste“ Haftgefangene schon seit über 50 Jahren einsitzt, ganz ohne Sicherungsverwahrung. Oder dass die Jugendgewalt langfristig stark gesunken ist – und nicht etwa gestiegen. Kinzigs Buch trennt nüchtern Fakt von Fiktion und taugt als kleine Einführung in Strafrecht und Kriminologie für Jedermann ebenso wie als Nachschlagewerk. Ein wohltuendes Buch als Gegengift für oft plump geführte Kriminalitätsdebatten – das die Frage aufwirft, warum bei einem der zentralen Eckpfeiler des Staates eigentlich so viel Unwissen im Umlauf ist.
Jörg Kinzig: Noch im Namen des Volkes? Über Verbrechen und Strafe. Orell Füssli, 124 Seiten, 10 Euro.