Ein Segen für Hirschau

Wohnprojekt für Geflüchtete und eine ambulant betreute Wohngruppe

Wohnprojekt Die Baugemeinschaft legte den Grundstein für ihr Gebäude, in dem Geflüchtete und eine ambulant betreute Wohngruppe unterkommen sollen.

26.11.2018

Von Werner Bauknecht

Nun stehen alle nach den Konflikten und Diskussionen bei der Grundsteinlegung zusammen. Bild: Anne Faden

Nun stehen alle nach den Konflikten und Diskussionen bei der Grundsteinlegung zusammen. Bild: Anne Faden

Die Reden am Samstag zur Grundsteinlegung in der Hirschauer Hohenbergstraße / Ecke Wehrstraße zeigten es: Es gab lange Zweifel am Zustandekommen des Projekts. Es zeigte sich aber auch, dass Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen und vor allem Zusammenarbeit am Ende doch zu einem Ergebnis führten. Zusammenarbeit war vor allem nötig zwischen den beiden Kirchengemeinden in Hirschau und dem dortigen Ortschaftsrat.

Das Haus auf einem ehemaligen Grundstück der evangelischen Christuskirche ist mittlerweile teilweise unterkellert. Dort, im künftigen Fahrradabstellraum, trafen sich etwa 30 der hauptsächlich an Bau, Planung, Organisation und Entwicklung Beteiligten. Gabriele Medam von der katholischen Kirchengemeinde übernahm die Moderation.

Karoline Rittberger-Klas, evangelische Pfarrerin in Hirschau, fand es ein Wunder, „dass jetzt alle hier stehen und so weit gekommen sind mit dem Gebäude.“ Hindernisse hätte es genug gegeben. Zum einen sei nicht klar gewesen, ob die evangelische Kirchengemeinde tatsächlich das Grundstück hinter dem Gemeindehaus verkauft. „Und dann stehen wir alle mit großer Bewegung hier und denken noch einmal an die heftigen Konflikte und Diskussionen, die es wegen des Hauses gab.“

Ein TAGBLATT in der Zeitkapsel

Aber es sei auch bewegend daran zu denken, dass dies ein gutes Projekt und ein Segen für Hirschau sei. Ulrich Otto, der das Projekt konzeptionell mitentwickelte, erinnerte daran, „dass das alles nur klappen kann, wenn alle mitschaffen.“ Hauptziel „war von Beginn an, die Geflüchteten anständig unterzubringen.“ Auch er lobte die intensive Unterstützung durch die Stadt Tübingen, die Kirchen, die Ortsverwaltung und Ortsvorsteher Ulrich Latus.

Latus ließ in seiner Rede das Projekt noch einmal Revue passieren. „Wir wollten keine Unterkünfte für die Flüchtlinge wie in der Tübinger Europastraße, die man irgendwann nicht mehr braucht“, sagte er. Er erinnerte an die Auseinandersetzungen im Ort wegen des Hauses, auch an Sitzungen, „wie ich sie in dieser Aggression noch nie erlebt habe.“ Auch die Ausrichtung des Gebäudes, das vom Architektenbüro Panzer & Oberdörfer entworfen wurde, änderte sich. Inzwischen werden im Ober- und Dachgeschoss unter dem gemeinsamen Namen der Baugemeinschaft „Zuhause in Hirschau“ sieben barrierefreie Wohnungen entstehen, für zehn Jahre sind sie für Flüchtlinge reserviert. Dazu kommen im Erdgeschoss elf Plätze für eine ambulant betreute Wohngruppe.

Die Gäste befüllten eine Zeitkapsel mit Gegenständen, etwa dem Gesellschaftervertrag, einer Hirschauer Hirschfamilie, einem SCHWÄBISCHEN TAGBLATT, einer Sammlung Leserbriefe und einem Engel. Diese mauerten zwei Bauarbeiter in die Wand im Keller ein. Gerd Panzer brachte eine Matrize eines Willkommensschilds mit, das am Ende am Eingang eingebaut wird. Darauf zu lesen „Herzlich willkommen in Hirschau – 2018“, umrahmt von einem Herz.

Der erste Stock ist für die Pflege-Wohngemeinschaft

Nach dem ursprünglichen Plan, Wohnraum für geflüchtete Menschen aufzubauen, fand sich am Ende ein Mischkonzept. Dabei wird im Erdgeschoss eine Pflege-Wohngemeinschaft für elf ältere Menschen eingerichtet. Investor ist die Nestbau AG. Betrieben wird die Gemeinschaft vom Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg. Medizinische Betreuung stellen Pflegedienste bereit. Im Obergeschoss gibt es sieben barrierefreie, altersgerechte Wohnungen, die im Grundriss variabel sind – man kann zwei miteinander verbinden. In den ersten zehn Jahren werden sie von der Stadt Tübingen für geflüchtete Menschen (Familien) angemietet. Begleitung der Flüchtlinge gibt es durch die Wohnungseigentümer, die Kirchengemeinden und den Verein „Unser Hirschau.“ Das Projekt wird etwa 2,8 Millionen Euro kosten. Es gehört zum Hirschauer „Prozess 2020.“