Kreuzfahrten

Ein Schiff wird kommen

Die noch vor Kurzem boomende Branche liegt pandemiebedingt danieder, hofft aber auf eine bessere Zukunft. Einzelne Touren sind bereits wieder möglich – unter strengen Auflagen und mit verringerter Passagierzahl.

10.04.2021

Von MICHAEL GABEL

Berlin. Bis zu 14 Schiffe schickt der Kreuzfahrtanbieter Aida in normalen Zeiten über die Weltmeere. Derzeit ist es genau eins: die „Aida Perla“. Sie umrundet im Wochenrhythmus die Kanaren, coronabedingt mit gerade mal der Hälfte der üblichen 3000 Passagiere. Immerhin: Theater, Restaurants und Bars sind geöffnet. Für die Reisenden könnte die Woche an Bord die perfekte Flucht aus dem deutschen Pandemie-Alltag sein, wären da nicht die strengen Hygienevorschriften – mit vorgeschriebenen PCR-Tests für Mitreisende und Crew, Einschränkungen bei Sport und Wellness und geschlossenen Diskotheken. Die Nachfrage sei dennoch groß, sagt Aida-Sprecher Hansjörg Kunze. „Wir würden unser Angebot gern erweitern und stehen bereit.“

Doch die Veranstalter von Kreuzfahrten werden sich gedulden müssen. Denn noch ist nicht abzusehen, wann weltweit wieder die Schiffe in den Häfen anlegen dürfen.

Für Deutsche gelten die meisten Länder sowieso als Risikogebiete, was gerade Fernreisen auf lange Zeit schwierig bis unmöglich macht. Auch sind viele Reisende noch von den Bildern aus dem vergangenen Frühjahr verunsichert, als tausende Passagiere in Schiffen vor Australien und Südafrika festsaßen und erst nach langer Quarantäne wieder freikamen.

In der Branche glaubt man zwar, dass die dramatischen Umsatzeinbrüche von 2020 eine Episode bleiben und bald wieder wettgemacht werden. Aber das dürfte Wunschdenken sein. Experten halten es sogar für möglich, dass mit der Pandemie das Geschäftsmodell der Kreuzfahrten – größer, luxuriöser, teurer – an sein Ende gekommen sein könnte.

Royal Caribbean International macht vor, wie reduzierter Kreuzfahrt-Tourismus aussehen könnte. Seine „Reisen ins Nirgendwo“ – „Cruises to Nowhere“ – führen bis nach Singapur, bieten aber weder Zwischenstopps noch Landgänge. Das deutsche Unternehmen TUI Cruises hat mit seinen „Blauen Reisen“ ein ähnliches Programm im Angebot.

Eine weitere Variante, wie Reisen in der Pandemie aussehen kann, sind Kreuzfahrten nur für Geimpfte. So will die US-Reederei Celebrity Cruises ihre „Celebrity Apex“ von Juni bis September durch das östliche Mittelmeer schippern lassen und Häfen in Griechenland, Zypern und Israel ansteuern. Alle Passagiere im Alter über 18 Jahren müssen gegen das Coronavirus geimpft seien. Ein ähnliches Modell ist auch für europäische Anbieter denkbar. Der EU-weit gültige Impfpass ist bereits in Vorbereitung.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) setzt bei Kreuzfahrten für die nähere Zukunft allerdings mehr aufs Testen als aufs Impfen. Die Reedereien hätten umfangreiche Hygiene- und Sicherheitskonzepte etabliert, zu denen auch Tests von Gästen und Crew gehörten, teilt eine Sprecherin mit. Sorgen bereitet dem Verband der Umsatzrückgang; laut DRV sank die Zahl der deutschen Kreuzfahrtreisenden von 3,7 Millionen im Jahr 2019 auf gerade noch 1,4?Millionen im Jahr 2020.

Allein das amerikanisch-britische Unternehmen Carnival mit seiner deutschen Tochter Aida erlitt im vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von umgerechnet 8,4 Milliarden Euro, fast zwei Milliarden Euro mehr als die ebenfalls in Not geratene Lufthansa. „Aktuell ziehen die Buchungen wieder an“, sagt die DRV-Sprecherin. Aber die gestiegene Nachfrage beziehe sich mehrheitlich bereits auf Sommer des kommenden Jahres.

Von einer „extremen Unsicherheit in der Branche“ spricht der Münchner Reiseexperte Jürgen Schmude. „Es kann gut sein, dass die Umsatzzahlen von vor Corona in den kommenden Jahren nicht mehr erreicht werden“, sagt der Professor für Tourismuswirtschaft dieser Zeitung.

Als Gründe nennt er den schon vor der Pandemie zu spürenden Druck der Öffentlichkeit, dass Kreuzfahrten umweltfreundlicher werden. Die Branche habe reagiert und sei dabei, ihren Gigantismus mit Schiffen, die bis zu 6500 Passagieren Platz bieten, zu überdenken.

Hinzu komme ein immer größer werdender Markt für Expeditionstouren, bei denen etwa in der Arktis eher kleinere Schiffe mit 200 bis 500 Plätzen eingesetzt würden. Außerdem sei zu vermuten, dass der Corona-Schock gerade bei Kreuzfahrten mit ihrem durchschnittlich etwas älteren Publikum noch lange nachwirken werde. „Ein großer Teil dieser Menschen wird sein Reiseverhalten überdenken“, ist Schmude überzeugt.

Auf diejenigen, die derzeit um die Kanaren reisen, trifft diese Einschätzung aber wohl nicht zu. Bei Aida bezeichnet man sie als Stammkunden, die sich durch nichts von ihrer Kreuzfahrt abhalten lassen. Schmude nennt sie „die Überzeugungstäter“.

Foto: Quelle: Statista

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