Tübingen

Ein Mittelding

Landrat Joachim Walter ließ sich öffentlichkeitswirksam gegen die Grippe impfen.

22.10.2020

Von Horst-W Dr. Reckert, Tübingen

In den letzten Tagen höre ich vermehrt Appelle: Appelle, sogar „dramatische Appelle“, die AHA-Regel einzuhalten, sich gegen Influenza impfen zu lassen mit dem sicherlich realistischen Hinweis „jetzt gilt’s“ oder auch „Showimpfungen“ von Herrn Minister Spahn oder anderen. Ziel ist doch letztlich, nachhaltig Verhalten von Menschen zu ändern und das möglichst länger anhaltend. Verhalten wird gespeist von Einstellungen.

Ich frage mich in der letzten Zeit häufiger, wie hoch der Wirkungsgrad von Appellen auf Einstellungen ist. Klar, die Gruppe derer, die ein „Erinnerle“ braucht, fokussiert ihre Aufmerksamkeit darauf und ruft beim Arzt hoffentlich an wegen einer Grippeimpfung.

Die ambivalenten, die Schlechtes über Impfungen gehört haben oder auch selber erlebt haben, werden vermutlich ihren Glaubenssatz nicht modifizieren, weil Erfahrungen dagegen stehen. Die Gegnerschaft, die bekennenden Impfgegner beispielsweise, werden eher belustigt reagieren, wenn Herr Landrat Walter sich vor laufender Kamera impfen lässt. Oder wenn im TAGBLATT eine Viertel-Seite ein Appell formuliert wird, der so ein Mittelding ist zwischen behördlicher Anordnung und Infoartikel. Welchen Wirkungsgrad hat das? Brauchen wir aktuell zumindest für die Krisenzeiten eine andere politische Kommunikation? Eine, die Menschen wirklich erreicht? Vielleicht sogar Kommunikationskonzepte mit mehr Wirkungsgrad? Vielleicht sogar mit Empathie für die Impf-Ängste und Zieldienlichkeit gleichermaßen?