Rottenburg · Begleitung

Ein Lehrstück über die Trauer

Die Hospizgruppe machte im Waldhorn-Kino auf ihre Arbeit aufmerksam.

24.01.2023

Von Fred Keicher

Scheinbar geht alles ordentlich zu in der Grammatik. Hier die Geschichten, die waren. Hier die, die gerade sind. Und dort beschreiben wir Vorgänge, die in der Zukunft liegen. So weit, so ordentlich. Aber dann sind da noch die Geschichten, die gewesen sein werden. Darunter wird irgendwann das ganze Leben fallen. Es ist eine Geschichte von Schock, Verlust, Abschied, Tod, Trauer.

Davon handelt der Film „Wie wir gewesen sein werden“, den das Rottenburger Kino im Waldhorn gemeinsam mit der Rottenburger Hospizgruppe zeigte.

Am 14. März 2019 ist der Filmemacher Erec Brehmer auf der Rückfahrt aus dem Skiurlaub. Er telefoniert auf dem Beifahrersitz, seine Freundin Angelina Seidler fährt. Irgendwo auf der Landstraße bei Bad Tölz gerät das Auto über die Mittellinie und kracht in ein entgegenkommendes Fahrzeug. Es ist der Moment, der alles ändert. Die Freundin ist tot, er ist schwerverletzt.

„Wie wir gewesen sein werden“ ist Brehmers Denkmal der Trauerarbeit über ein plötzlich zerstörtes Leben. Im Kino sehen wir dem Tod bei der Arbeit zu, sagte mal ein französischer Regisseur. Bei Brehmer sehen wir ein glückliches Paar. Er muss seine Freundin häufig gefilmt haben. Wir sehen ein Gesicht, das selig lachen kann, ein Lachen, das, in Zeitlupe aufgenommen, auch leicht diabolisch wirken kann. Alles vorbei seit diesem Märztag. 29 Jahre sind gewesen.

Der Rest ist Trauerarbeit. Nach den eigenen Klinikaufenthalt kehrt Brehmer zurück in die gemeinsame Wohnung. Sie riecht noch nach der Toten. Das bleibt wochenlang so. Neuanfänge, Zusammenbrüche schildert Brehmer minutiös. Und wünscht sich schließlich von der Toten ein wenig Abstand. Aber natürlich sei sie jederzeit in seinem Leben willkommen. Aber nicht so oft. Zum Schluss des Filmes sagt Brehmer „Wer wir gewesen sein werden, bleibt offen.“

Mit dem Film wollte die Rottenburger Hospizgruppe auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Ursula Pfrommer-Kriegeskorte und Gaby Abeldt, die beiden Koordinatorinnen, stellten kurz zu Beginn ihre Arbeit vor. Das hatte einen Hintergedanken: Die Hospizgruppe sucht dringend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Im Moment sind es 22, die brauchen Verstärkung.

Für das Thema interessieren sich fast nur Frauen. Das 40-köpfige Publikum im Waldhorn am Donnerstag war fast ausschließlich weiblich, in der Hospizgruppe arbeiten nur Frauen. Für Pfrommer-Kriegeskorte hat das Gründe: „In der Hospizarbeit sind wir Seelen-Hebammen. Hebammen verhelfen den Menschen ins Leben. Wir helfen den Menschen hinüber in den Tod.“ Dass Männer diese Arbeit scheuen, sieht sie so: „Dabei ist Intuition gefordert. Und da wird’s
gefährlich.“

Informationen zur Sterbebegleitung

Ein Vorbereitungskurs für Ehrenamtliche in der Sterbegleitung beginnt im April. Bei einer Info-Veranstaltung am Donnerstag, 26. Januar, im Evangelischen Gemeindezentrum Rottenburg, Kirchgasse 18, gibt es ab 18.30 Uhr Einblicke in die Hospizarbeit und um 19.30 Uhr Informationen zum Vorbereitungskurs.