Sundown Film Fest

Ein Küsten-Paradies auf Zeit

Mirjam Leuze stellte ihren atemberaubenden Walfilm im Kino Arsenal vor.

15.07.2019

Von Dorothee Hermann

Mirjam LeuzePrivatbild

Mirjam LeuzePrivatbild

Der geruhsame Lebensrhythmus der gewaltigen Meeresbewohner scheint sich auf die erstaunlichen, ruhig ineinandergleitenden Bilder zu übertragen: eine ausgepustete Fontäne, die Wendung einer mächtigen Schwanzflosse, riesige stahlgraue Leiber, die im Wasser ruhen. Unterwassermikrofone übertragen ihre Gesänge und Verständigungslaute zu den beiden Walforschern Janie Wray und Hermann Meuter.

Die beiden leben seit 15 Jahren in der unberührten Kitimat-Fjordlandschaft an der kanadischen Pazifikküste, wo sie Orcas (Schwertwale), Buckelwale und Finnwale beobachten. Sie kennen die Tiere mittlerweile so genau, dass sie einzelne Gruppen einer Art an ihren Lauten unterscheiden können.

Die in Kirchheim/Teck aufgewachsene Filmemacherin Mirjam Leuze hat die beiden Wissenschaftler besucht und wurde schnell von ihrer Faszination angesteckt. „Man sitzt auf einem Felsen und schaut und schaut. Dann kommt ein Wal.“ Am Samstagabend war die 55-Jährige Gast beim Sundown Festival im Tübinger Kino Arsenal. Die Begegnung mit den Walen habe ihre Weltsicht verändert, sagte Leuze. Deren Intelligenz und Sozialverhalten zeigten ihr, „dass der Mensch nicht alles ist“.

Doch das einzigartige Biotop ist bedroht. Der Fjord soll zur Tankerroute für den Flüssiggastransport nach Asien werden. Wie sich das auf die Wale auswirkt, ist offen. Bis 1967 wurden Buckelwale in dem Gebiet gejagt, sagte Leuze. Über die Jahrzehnte erholten sich zögernd die Bestände. Im Jahr 2002 wurden 60 Buckelwale im Fjord gezählt, 2016 waren es 600.

Für die ersten Bewohner dieser Küste wie die Gitga’at galt das Meer als „Unterwasserkönigreich“. Der „Orca Chief“ wachte über die Meereswesen und wies respektlose Menschen in ihre Schranken. Das illustriert eine animierte Sequenz mit Bildern des Künstlers Roy Henry Vickers. Die Matriarchin Helen Clifton vom Orca-Clan berichtete, ihr verstorbener Mann, Chief Johnny Clifton, habe befürchtet, dass der Lärm der Tanker das Sonar der Wale stören könnte.

Eine Ölpipeline hatten First Nations und Umweltschutzorganisationen 2016 noch erfolgreich abgewehrt. Der Widerstand gegen das Flüssiggasgeschäft ist schwieriger: Die Ureinwohner sind an einem der Konsortien beteiligt. Den beiden Walforschern bleibt nur die Beobachtung: „Wie verhalten sich die Wale jetzt, und wie 2022, wenn die ersten Tanker fahren sollen“, berichtete die Filmemacherin.

Kanada gelte als unberührte Wildnis mit endlosen Wäldern, sagte sie. Doch tatsächlich lebe das Land von der Ausbeutung seiner Rohstoffe: Gold, Öl und nun auch Flüssiggas, das durch Fracking im Nordosten von British Columbia aus Ölsand gewonnen wird. Die Provinz und die Regierung stünden dahinter. Es macht sie betroffen, „dass bestimmte Industrien unsere unsere Lebensgrundlagen zerstören“. Ihr spektakulärer Walfilm soll am 5. September regulär in den Kinos anlaufen.

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Erstellt:
15.07.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 15.07.2019, 01:00 Uhr

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