Der Rettungsplan greift

Ein Jahr nach Stellenabbau und Umstrukturierung ist Stoll auf dem Weg der Besserung

Ende 2014 hat die Reutlinger Strickmaschinenfirma Stoll mit Personalabbau und Umstrukturierung auf die ernsthafte Krise des Traditionsunternehmens reagiert. Nun zeigen sich erste Erfolge. „Der Plan geht bisher auf“, sagt Andreas Schellhammer, seit zwei Jahren Vorsitzender der Geschäftsleitung.

27.01.2016

Von Thomas de Marco

2004 ist die Strickmaschinenproduktion von Stoll in das neue Betzinger Produktions- und Lagergebäude an der Straße nach Ohmenhausen verlagert worden.Bild: Stoll

2004 ist die Strickmaschinenproduktion von Stoll in das neue Betzinger Produktions- und Lagergebäude an der Straße nach Ohmenhausen verlagert worden.Bild: Stoll

Reutlingen. Als die H. Stoll GmbH & Co. KG, ein Hersteller elektronischer Strickmaschinen, im Dezember 2014 in ernsthaften Schwierigkeiten steckte, verkündete die Geschäftsführung einen massiven Stellenabbau: Am Reutlinger Standort sind 120 der rund 560 Arbeitsplätze gestrichen worden. „Ein Großteil der betroffenen Mitarbeiter ist allerdings über Transfergesellschaften in Rente gegangen, formal haben wir niemanden entlassen“, betont Schellhammer.

Vorausgegangen waren zweijährige zähe Verhandlungen mit der IG Metall über einen Ergänzungstarifvertrag und den Stellenabbau. „Das Konzept scheint nun aufzugehen“, sagt Ernst Blinzinger, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Reutlingen-Tübingen. „Wir freuen uns jedenfalls über die Konsolidierung des Unternehmens. Dadurch werden Arbeitsplätze erhalten.“

Bei den Diskussionen mit der Gewerkschaft hat der Vorsitzende der Stoll-Geschäftsleitung von Beginn an eine konstruktive Grundhaltung ausgemacht. „Der Konsens auf beiden Seiten war, die Firma grundsätzlich zukunftsfähig aufzustellen“, erklärt Schellhammer. „Wir haben Lösungen gefunden, die hilfreich sind.“

Dazu gehört auch, dass die Endmontage der Basis-Strickmaschine von Stoll nur noch in China gemacht wird: 2014 begann das in Jinshan bei Shanghai mit kleineren Stückzahlen, im vergangenen Jahr wurde die in Deutschland nicht mehr rentable Endmontage komplett nach China verlagert. „Allerdings produzieren wir auch weiterhin Kernteile für diese Maschine in Reutlingen“, erklärt Schellhammer. Gut 30 bis 40 Prozent des Umsatzes macht Stoll mit diesem Basismodell. In Reutlingen konzentriert sich das Unternehmen nun auf High-Tech-Maschinen.

Die Firma hat eine Exportquote von 95 Prozent, über 75 Prozent der Maschinen gehen nach Asien. China ist der größte Einzelmarkt. 2013 schlitterte Stoll in eine „sehr ernsthafte Krise“, sagt Schellhammer. „Wir mussten Lösungen finden, bevor das Kind in den Brunnen fällt.“ Ein paar Dinge hätten dringend geändert werden müssen – „die Gespräche mit der IG Metall waren da sehr vernünftig.“

Das Geschäft in 2015 habe sich so entwickelt, wie das die Firma und die Gewerkschaft im auf zwei Jahre ausgelegten Konzept vorgesehen hatten. „Der anspruchsvolle Plan ist im ersten Jahr aufgegangen, wozu auch der günstige Dollarkurs mitgeholfen hat. Aber wir haben noch einiges zu tun und müssen robuster werden“, sagt der Stoll-Vorstandsvorsitzende. Der erste Schritt zur nachhaltigen Trendwende sei allerdings geschafft.

Deshalb geht der Vorstandsvorsitzende davon aus, dass die verbliebenen Arbeitsplätze nun auf jeden Fall mittelfristig gesichert seien. Vorausgesetzt, es passiere nichts Außergewöhnliches. „Auch die Belegschaft spürt, dass wir auf einem guten Weg sind“, hat Schellhammer ausgemacht. Sein Fazit nach dem Ringen um ein zukunftsfähiges Konzept: „Es ist grundsätzlich nicht verkehrt, einen vernünftigen Dialog mit dem Betriebsrat und auch mit der Gewerkschaft zu führen.“

Für die künftige Ausrichtung des Traditionsunternehmens in der einstigen Textilhochburg Reutlingen wäre auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Hochschule denkbar. „Da könnte Stoll mehr machen, bei innovativen Ansätzen gibt es noch Potenzial“, sagt Schellhammer.

Schellhammer ist seit Juli 2015 Vorstandsvorsitzender

Andreas Schellhammer, 47, ist seit dem 1. Januar 2013 Mitglied der Geschäftsleitung bei Stoll und als Technischer Leiter verantwortlich für Entwicklung und Produktion (CTO). Als Heinz-Peter Stoll, langjähriger geschäftsführender Gesellschafter der H. Stoll GmbH & Co. KG, zum 31. Januar 2014 aus Altersgründen aus der operativen Führung ausschied, übernahm Schellhammer die Position des Sprechers der Geschäftsführung (CEO), seit Juli 2015 ist er Vorstandsvorsitzender. Strickmaschinen-Pionier Heinrich Stoll hatte das Unternehmen 1873 in Riedlingen gegründet und war fünf Jahre später mit der Firma in die Textilstadt Reutlingen umgesiedelt. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 850 Mitarbeiter.