Kommentar · USA

Eigene Interessen

Der neue US-Präsident hat keine Zeit vergehen lassen. Kaum im Amt, bringt er, wie angekündigt, sein Land zurück in den Pariser Klimavertrag, in die Weltgesundheitsorganisation und überhaupt zurück in die internationale, vor allem in die westliche Gemeinschaft.

22.01.2021

Von ANDRé BOCHOW

Berlin. Überall werden die Amerikaner nun wie verloren geglaubte Söhne und Töchter begrüßt. Aber sind Jubel und Frohlocken wirklich angebracht?

Ja, weil es nun wieder einen starken Partner bei der Klimapolitik oder bei der globalen Gesundheitsvorsorge gibt. Einen Partner, auf den man sich verlassen kann, der Verträge einhält und der sich zu benehmen weiß. Ja vor allem, weil sich die USA zur gemeinsamen Verantwortung aller für das Schicksal des und auf dem Planeten bekennen. Doch auch Joe Biden wird die Interessen der USA in einem Maße in den Mittelpunkt stellen, die keinerlei Zweifel aufkommen lässt. Neu wird nicht sein, dass Washington Nord Stream 2 ablehnt, neu ist, dass Biden die Erdölleitung von Kanada nach Washington aus Umweltschutzgründen streicht. Europa wird wieder ein ernst genommener Gesprächspartner, jedenfalls wenn es sich irgendwann selbst ernst nimmt.

Aber es war die Obama-Administration mit Biden als Vizepräsidenten, die das pazifische Zeitalter ausgerufen hat. Europa ist nicht mehr der Nabel der Welt. Das denkt sich kein Präsident aus, das ist so. Wenn sich die EU dann auch noch an China heranwanzt, statt mit den USA eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, muss Europa sich nicht wundern, wenn auch der neue Chef im Weißen Haus irgendwann achselzuckend den alten Kontinent ad acta legt. Freundlicher sicher als sein Vorgänger, aber bestimmt nicht weniger konsequent.