Polen

„Eben nicht nur ein Zuckerschlecken“

Bundespräsident Steinmeier und sein polnischer Amtskollege feiern die Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Doch es gibt sehr viele Punkte, die das Verhältnis stören.

18.06.2021

Von Ellen Hasenkamp

Beziehungsstatus: kompliziert.  Frank-Walter Steinmeier und der polnische Präsident Andrzej Duda Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Beziehungsstatus: kompliziert. Frank-Walter Steinmeier und der polnische Präsident Andrzej Duda Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Warschau. Rund 50 Top-Diplomaten stehen aufgereiht vor dem Palais Radziwill und blinzeln auf dem Hof des polnischen Präsidentenpalastes in die Sonne. Bis Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Polens Staatschef Andrzej Duda jeden von ihnen begrüßt haben, dauert es dann eine ganze Weile. Sehr aufwendig, aber die Begegnung der beiden Staatschefs am Donnerstag soll eine gewisse diplomatische Flughöhe haben. Und dazu gehört eben auch die Begrüßung durch das diplomatische Corps.

Ein Zeichen der Verbundenheit zwischen Polen und Deutschland zu setzen in einer durchaus schwierigen Zeit, so ungefähr könnte die Überschrift der Begegnung lauten. Anlass des Besuchs, der Corona-bedingt erst vierten Auslandsreise Steinmeiers in diesem Jahr, ist der 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen. Ein Vertrag, den Steinmeier „das Fundament der engen und stetig wachsenden Bindungen“ zwischen beiden Ländern nennt. Dass gerade zurzeit Raum und durchaus Notwendigkeit für dieses Wachstum besteht, auch das wird im Laufe des sonnigen Tages in Warschau klar.

Blick nach vorne gesucht

Zum Beispiel während der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Gespräch im Präsidentenpalast. Duda bekundet einerseits, er freue sich „riesig“ über den Besuch. Andererseits zählt er auf, wo es aus polnischer Sicht noch hakt: beim Schulwesen für die polnische Minderheit in Deutschland, bei der Finanzierung einer Kulturstätte und natürlich bei der Verwirklichung des Denkmals für die polnischen Opfer des Nationalsozialismus in Berlin.

Steinmeier verspricht, sich für all diese Anliegen einzusetzen, erinnert aber seinerseits daran, dass auch der Deutsch-Unterricht in Polen erheblich gekürzt worden sei. Darüber „sind wir in Deutschland natürlich ein wenig besorgt“, fügt er hinzu, was im Rahmen der Höflichkeit eine ziemlich deutliche Äußerung des Missfallens ist. Die Begegnung der beiden war, so fasst es Duda schließlich zusammen, eben „nicht nur ein Zuckerschlecken“.

Insbesondere dem Bundespräsidenten ist allerdings sichtlich daran gelegen, dass der Austausch nicht im Lob der Vergangenheit und im Durchdeklinieren bilateraler Versäumnisse steckenbleibt. Und so erinnert er - am Pressepult dem „lieben Andrzej“ zugewandt – daran, dass die deutsch-polnische Aussöhnung zu den „europäischen Erfolgsgeschichten“ gehört, die „wir überall in Europa erzählen wollen“.

Auch hier aber klemmt es in der Gegenwart: Warschau hält die deutsche Kooperation mit Russland in Sachen Nord Stream 2 für anti-europäisch und Berlin wiederum sieht, wie auch Brüssel, europäische Grundwerte durch das Vorgehen der nationalkonservativen Regierung in Polen gegen die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr. Beide Länder hätten eine Verantwortung für Europa, mahnt Steinmeier an.