Interview · Ingmar Hoerr

EU-Forschungsförderung: „Aufbruchstimmung ist greifbar“

Der Tübinger Curevac-Chef Ingmar Hoerr ist Mitverfasser eines Reports, der in Davos an Frankreichs Präsident Macron übergeben wurde.

26.01.2018

Von Volker Rekittke

Ingmar Hoerr Archivbild: ST

Ingmar Hoerr Archivbild: ST

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos überreichte Forschungskommissar Carlos Moedas am Mittwoch den Report „Europe is back: Accelerating breakthrough innovation“ („Europa ist zurück: Beschleunigter Durchbruch bei Innovationen“) an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Mitglied der 15-köpfigen „High Level Group“, die den Report vorlegte, ist Ingmar Hoerr. Das TAGBLATT sprach mit dem Chef des Tübinger Biotechunternehmens Curevac über die Initiative.

Was genau ist die „High Level Group“ – und wie kommt man da rein?

Die Gruppe besteht vor allem aus Entrepreneurs – also innovativen Firmengründern und -lenkern. Sie berät die Europäische Kommission – denn aus den Zuwendungen der europäischen Forschungsförderung entstehen zu wenig Innovationen. Experten der Gruppe analysieren die Situation und erarbeiten Vorschläge, wie sich der Anschluss vor allem an die USA und Asien erreichen lässt. Man hat also ganz klar das Defizit gesehen und versucht nun auf höchster Ebene die Veränderung.

Forschungskommissar Carlos Moedas ist eine treibende Kraft, er ist bei bisher sechs Treffen immer persönlich dabei gewesen. Es herrscht eine sehr gute Stimmung, weil in der High Level Group Dinge offen angesprochen werden können und die Europäische Kommission uns zuhört und ernsthaft ohne Schminke oder politische Agenda die Dinge auf den Tisch bringt. Alle Mitglieder treiben der Veränderungswille und der europäische Zusammenhalt an, gerade wenn der Nationalismus, wie etwa die Parole „America first“, weltweit zunimmt.

Warum wurde der Report an Herrn Macron übergeben und nicht an Frau Merkel? Ist Frankreich bei Forschung und Innovation so viel besser aufgestellt als Deutschland?

Vielleicht liegt es daran, dass Macron einfach einen besseren, frischeren Ruf hat, offen für Neuerungen zu sein scheint und Dinge bewegen möchte. Für Merkel ist sicherlich die aktuelle Lage, in der nach einer neuen Regierung gesucht wird, ungünstig. Es gibt für die Gruppe kein so offensichtliches Aushängeschild in der deutschen Regierung, welches so sehr für Innovation und Aufbruch steht wie Macron. Der französische Präsident bietet dafür eine gute Projektionsfläche. Als deutscher Vertreter in der High Level Group finde ich das natürlich sehr schade.

Was verstehen Sie unter „Deep Tech“ (Deep Technology) – und warum ist dieser Innovationsschritt so wichtig?

Deep Tech ist mehr als irgendein Online-Pizzalieferdienst, wie Innovation derzeit von manchen in Berlin verstanden wird. Scherz beiseite: Charakteristisch sind die große Tiefe und Breite der Innovation, verbunden mit Risiken in der Entwicklung. Biotechnologie ist da ein Paradebeispiel.

Ist Tübingen Teil dieses europäischen Technologie-Aufbruchs?

Ja, definitiv. Es entsteht gerade ein sehr spannendes Cluster, die Aufbruchstimmung ist regelrecht greifbar. Ich bemerke derzeit einen großen Zusammenschluss der einzelnen Institutionen, die in der Vergangenheit manchmal eher nebeneinander gelaufen sind, wie Max Planck, private Unternehmen, Universität und Universitätsklinikum. Uns gelingt im kleinen Tübingen, was das große Berlin nicht so richtig schafft. Ich denke, das ist eine einmalige Chance für Tübingen, in die europäische Spitzenklasse aufzusteigen – und ich bin stolz darauf, Teil davon sein zu dürfen.

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Erstellt:
26.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 26.01.2018, 01:00 Uhr

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