Mobilität

E-Lastenrad statt Autofahrt: Taugt das Zweirad als Ersatz?

Verkehrswissenschaftler haben den Einsatz der Transporträder in Unternehmen und Kommunen untersucht. Mehr als 2800 solcher E-Bikes wurden vom Land schon gefördert.

28.10.2021

Von Alfred Wiedemann

Lastenrad im Praxistest: Das DLR-Verkehrsinstitut untersuchte, wie die Räder in Firmen und Verwaltungen genutzt wurden. Foto: Tobias Hase/dpa

Lastenrad im Praxistest: Das DLR-Verkehrsinstitut untersuchte, wie die Räder in Firmen und Verwaltungen genutzt wurden. Foto: Tobias Hase/dpa

Ulm/Ehingen/Markdorf. Können Lastenräder in Firmen und Stadtverwaltungen das Auto ersetzen und verkehrsgeplagte Städte entlasten? Ja, sagt eine großangelegte Studie. Die Ergebnisse hat das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) jetzt veröffentlicht. Für einen großen Teil der Dienstfahrten werde kein Auto oder Lieferwagen benötigt, ist ein Ergebnis. Der Einsatz der E-Bikes mit Zulademöglichkeit sei auch in kleineren Kommunen sinnvoll. Die umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Lieferwagen macht keinen Lärm, bläst keine Abgase in die Luft und braucht auch nicht so viel Platz.

Für „Europas größte Studie“ zum Thema konnten deutschlandweit mehr als 750 Unternehmen und andere Organisationen drei Monate Lastenräder testen. Kostenlos gab es 23 Radmodelle, vom kleineren E-Lastenrad bis zum XXL-Rad mit 700 Liter Stauraum.

Per App wurden die Wege registriert, die Teilnehmer durch das DLR-Institut für Verkehrsforschung befragt. 307 000 Kilometer und 30 000 Wege kamen so insgesamt zusammen. Immerhin bei zwei Drittel der Fahrten ersetzte das Lastenrad tatsächlich ein Auto mit Verbrennungsmotor, kam heraus. Rund 400 Kilogramm CO2 spart die Benutzung eines Lastenrads im Mittel jährlich ein, sagt Projektleiter Johannes Gruber.

Umweltschutz gibt Ausschlag

Die Hälfte der Teilnehmer gab nach dem Test an, einen Lastenrad-Kauf zu prüfen. Ein Drittel schaffte sich tatsächlich eins an. Vor allem der Umweltschutz gab den Ausschlag. Auch Markdorf im Bodenseekreis, eine der Kommunen im DLR-Test, hat inzwischen ein E-Lastenrad im Fuhrpark. „Nach mehreren Monaten Testphase sind die Kollegen des Bauhofes vom Lastenrad begeistert“, sagt Bürgemeister Georg Riedmann. Anfangs sei es gewöhnungsbedürftig gewesen. „Man hat das Gefühl, man sitzt wie beim allerersten Mal auf einem Fahrrad. Aber dann will man’s nie wieder hergeben“, so Riedmann. In der Stadt sei man viel wendiger, „auch die ständige Parkplatzsuche entfällt“. Das Lastenrad werde zum Leeren der städtischen Mülleimer genutzt und zum Aufsammeln von Müll auf den Straßen. „Das Rad hat großes Potenzial in dieser Art Transportmobilität“, sagt Bürgermeister Riedmann.

In Ulm wurde das Testrad vor allem vom Baubetriebshof genutzt. Andere Abteilungen konnten es ausleihen. Da sei selten passiert, so Rathaussprechern Marlies Gildehaus. Der Aufwand fürs Forschungsprojekt sei beim gelegentlichen Nutzen wohl zu groß gewesen, mit Einweisung, Tracker, Datenschutzvereinbarung. Die, die das Fahrrad aber genutzt hätten, seien begeistert gewesen. Unabhängig vom Test habe die Stadt inzwischen mehrere Lastenräder regulär im Einsatz, so beim Grünflächenamt und bei der Feuerwehr.

Auch die Entsorgungsbetriebe der Stadt haben zwei Lastenräder angeschafft. „Gut und einsatztauglich“, lautet das Urteil. Das war beim DLR-Test noch anders. Der endete vorzeitig, weil das bereitgestellte Modell beim Handling nicht ideal und „nicht ausreichend sicher“ gewesen sei.

Nicht zufrieden mit dem Testrad

In Ehingen wurde ein Testrad in der Stadtgärtnerei eingesetzt, unter anderem für Baumkontrollen. Die Transportboxen seien fürs benötigte Werzeug sehr nüzlich gewesen, sagt Bettina Gihr-Kneißle von der Stadtverwaltung. Nachteilig dagegen: die technische Ausstattung damals. Der Test war bereits 2018, das E-Rad hatte da weder Schaltung noch Anfahrtshilfe. Bisher sei kein Lastenfahrrad beschafft worden. Skeptisch sahen Tester auch die hohen Anschaffungskosten von mehreren tausend Euro, so DLR-Projektleiter Gruber. Finanzielle Unterstützung könnte deshalb hilfreich sein. Baden-Württenberg fördert die Anschaffung bereits länger (siehe Infokasten).

Insgesamt sagten zwei Drittel der Beteiligten nach dem Test, dass Lastenräder für ihre dienstlichen Zwecke gut bis sehr gut geeignet seien. Positiv sei die Unabhängigkeit von Parkplätzen, die Wendigkeit, das Erreichen von Gebieten, die für Autos gesperrt sind, aber auch der Spaßfaktor oder das Plus fürs eigene Image. Eher hemmend dagegen: die eingeschränkte Nutzbarkeit bei Regen und bei mangelhaften Radwegen. Fast 80 Prozent sahen an ihrem getesteten Rad noch Verbesserungsbedarf, bei Transportbox oder Komfort zum Beispiel.

Schon 2811 Lastenräder vom Land bezuschusst

Für gewerblich, gemeinnützig, gemeinschaftlich oder kommunal eingesetzte Lastenräder gibt es in Baden-Württemberg einen Zuschuss. Vor Kauf oder Leasing muss man dazu bei der L-Bank einen Antrag stellen. „Das Programm ist sehr erfolgreich“, sagt Tobias Schick, Sprecher des Verkehrsministeriums: Seit November 2017 wurden 2811 E-Lastenräder mit 2,07 Millionen Euro bezuschusst.

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Erstellt:
28.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 28.10.2021, 06:00 Uhr

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