Nationalmannschaft

Ein 0:0 als ideales Resultat

Das Remis gegen Weltmeister Frankreich macht Joachim Löws Team Mut und zeigt gleichzeitig die Stellen auf, an denen noch gearbeitet werden muss.

08.09.2018

Von GEROLD KNEHR

Joshua Kimmich (hinten, gegen Kylian Mbappé) hat sich im defensiven Mittelfeld bewährt. Foto: Lange/Eibner

Joshua Kimmich (hinten, gegen Kylian Mbappé) hat sich im defensiven Mittelfeld bewährt. Foto: Lange/Eibner

München. Ein 0:0 im Fußball ist normalerweise kein Resultat, das zufriedene Spieler, Zuschauer oder Trainer zurücklässt. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Das torlose Remis der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im ersten Spiel nach der völlig verpatzten WM gegen Weltmeister Frankreich sorgte im Umfeld des DFB für eine Mischung aus Zufriedenheit, Erleichterung und Trotz. Gleichzeitig lieferte es Hinweise, wo der Hebel für die weitere Entwicklung angesetzt werden muss. So gesehen war das 0:0 in der Münchner Allianz Arena fast schon ein ideales Resultat.

„Ich bin zufrieden mit der Leistung. Diese Bereitschaft, alles reinzuhauen, das wollte ich sehen, das war meine Erwartung. Unabhängig vom Ergebnis wollten wir eine andere Einstellung, ein anderes Gesicht als bei der WM zeigen und Kredit zurückgewinnen. Mit dem Ergebnis und dem Spiel kann ich sehr gut leben“, sagte Joachim Löw.

Hummels: Waren heiß

Für den Schuss Trotz war Mats Hummels zuständig. „Wir wurden in den letzten Monaten von vielen schwächer gemacht, als wir tatsächlich sind. Wir alle waren richtig heiß und wollten es ihnen zeigen“, sagte der Innenverteidiger, der eine starke Leistung abgeliefert hatte. Der WM-Frust sitzt nach wie vor tief.

Die Begegnung zeigte, dass sich alle Seiten um Besserung bemühen. Die Zuschauer empfingen die Mannschaft – auch den eingewechselten Ilkay Gündogan nach dessen umstrittenenem Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan – größtenteils freundlich und verabschiedete die Mannschaft mit wohlwollendem Applaus.

Sportlich hängen bleibt das Experiment mit Joshua Kimmich, der von der rechten Verteidigung ins defensive Mittelfeld umversetzt wurde. Diese personelle Neuausrichtung steht sinnbildlich für den geplanten Neuanfang. Bei der WM in Russland hatte Kimmich seine Rolle als Rechtsverteidiger extrem offensiv interpretiert. Nun sorgte der in Rottweil geborene 1,76-Meter-Mann auf der bisherigen Position des ehemaligen Stuttgarters Sami Khedira für die zuletzt vermisste defensive Stabililität. „Von mir aus gerne öfter“, sagte Kimmich nach seinem bestandenen Test auf der Sechser-Position, die er als Jugendspieler oft bekleidet hatte und die als seine Lieblings-Position gilt. „Er hat die Ruhe am Ball, die man dafür benötigt“, lobte ihn sein Münchner Teamkollege Thomas Müller. „Und er hat unserem Spiel gut getan“, ergänzte Hummels.

„Josh war präsent, sehr zweikampfstark, sehr viel am Ball. Das war eine sehr gute Leistung“, sagte der Bundestrainer über Kimmichs Auftritt. Seine Versetzung ins defensive Mittelfeld könnte zur dauerhaften Lösung werden. Die Abwehrkonstellation mit den vier gelernten Innenverteidigern Matthias Ginter, Hummels, Jérôme Boateng und Antonio Rüdiger hingegen war in erster Linie der geballten offensiven Wucht der Weltmeister Kylian Mbappé, Antoine Griezmann und des eingewechselten Ex-Dortmunders Ousmane Dembelé geschuldet und wird gegen weniger starke Gegner wie morgen Peru nicht zur Standardlösung. „Gegen Frankreich war das das Richtige. Dauerhaft ist das nicht die richtige Lösung“, so Löw.

Baustelle Offensive

Eine Lösung muss der Bundestrainer auch für die Offensive finden, der weiterhin die Durchschlagskraft fehlt. In den drei WM-Gruppenspielen traf die Nationalelf nur beim 2:1 gegen die Schweden, und auch jetzt gegen Frankreich dauerte es lange, bis das Team zu Chancen kam, die der starke französische Torhüter Alphonse Areola in letzter Instanz vereitelte. Das überraschende Experiment mit Marco Reus als zentraler Sturmspitze ist allerdings nicht geglückt. In der Offensive fehlten das Tempo und das nötige Selbstvertrauen, das sich die Spieler Schritt für Schritt erarbeiten müssen.

Beim Test morgen in Sinsheim gegen Peru wird der Bundestrainer weiter experimentieren. Dann dürfen der schnelle Julian Brandt sowie die Länderspiel-Neulinge Kai Havertz, Thilo Kehrer und Nico Schulz zumindest mit einem Teileinsatz rechnen. Auch der Freiburger Angreifer Nils Petersen könnte eine Alternative sein. Leroy Sane hingegen hat gestern aus privaten Gründen das DFB-Team verlassen.

„Wir glauben jetzt nicht, dass mit einem einzigen Spiel alles vergessen ist. Wir müssen weiterhin gute Ergebnisse erzielen“, stachelt Löw seinen Kader für die morgige Partie an. Noch wichtiger freilich werden die beiden Spiele in der Nations League am 13. Oktober in Amsterdam gegen die Niederlande und drei Tage darauf in Paris im Rückspiel gegen Frankreich.

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Erstellt:
08.09.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 08.09.2018, 06:00 Uhr

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